@ Dosenkraut: Du hast Recht, dass unsere Erde und unser Sonnensystem schon etwas ganz besonderes und damit sehr unwahrscheinliches ist. Auf der anderen Seite ist es allerdings möglich, dass nicht alle diese Besonderheiten notwendig sind, um Leben entstehen zu lassen. Darüber hinaus ist die Wahrscheinlichkeit nicht so arg gering, dass fast identische Bedingungen in vielleicht einer Handvoll anderer System herrschen, wenn wir von einer Gesamtzahl von mehreren Milliarden Sonnensystemen mit erdähnlichen Planeten in der habitablen Zone ausgehen.
@Jerry: Ich verstehe nicht ganz, warum du dich so ärgerst über Boss' Thesen. Lass es nur jeden zehnten sonnenähnlichen Stern sein, der einen erdähnlichen Planeten beherbergt. Das wären dann immer noch viele Milliarden allein in der Galaxis. Warum sollte es diese Planeten nicht geben? Bisher konnten wir sie schlichtweg nicht entdecken, genauso wie wir vor 15 Jahren nicht einen einzigen Planeten außerhalb des Sonnensystems entdecken konnten. Die Entdeckung hunderter solcher Systeme hat zu einem Paradigmenwechsel geführt, weg von der Ansicht Planeten an sich seien etwas ganz, ganz besonderes, hin zu der Annahme, Planeten seien etwas ganz normales. In weiteren 15 Jahren wird es uns seltsam vorkommen, dass wir uns heute nicht vorstellen konnten, dass erdähnliche Planeten ebenfalls völlig normal sind.
Zur Drake-Gleichung: Da wir bisher mit der Erde nur einen Referenzpunkt haben, lässt sich über alle Faktoren, die über die reine Anwesenheit von Planeten hinausgehen, derzeit nur spekulieren und das sind die eigentlich entscheidenen Punkte.
Wieviele der erdähnlichen Planeten beherbergen Leben? Können wir davon ausgehen, dass, die richtigen Bedingungen und genug Zeit vorausgesetzt, Leben zwangsläufig, eben natürlich entsteht?
Am rätselhaftesten ist der Schritt hin zu "intelligentem Leben". Da muss erstmal definiert werden, ab wann etwas als "intelligent" zu gelten hat. Wenn wir uns die Menschen auf der Erde mal wegdenken würden, gäbe es trotzdem noch eine große Zahl verschiedener hochentwickelter Lebensformen, welche zumindest mit einem gewissen Grad an Intelligenz (und teilweise sogar Bewußtsein) ausgestattet sind. Herrschen die richtigen Bedingungen und gehen wir davon aus, dass mikrobisches Leben relativ leicht entsteht, spricht nichts dagegen davon auszugehen, dass sich diese höheren Lebensformen nach einer gewissen Zeit auch entwickeln.
Nun wird's kritisch. Wir können absolut nicht beurteilen, was genau dafür verantwortlich ist, dass eine dieser Lebensformen irgendwann anfängt, ihre Umwelt mit technologischen, also nicht-biologischen Mitteln zu verändern. Was ist notwendig, um diesen relativ hohen Grad an Intelligenz, Bewußtsein, Abstraktionsfähigkeit und sozialer Kompetenz bei einer Lebensform möglich zu machen? Dahinter steht die Frage: "Was ist der Mensch?" Zweifelsfrei eine der ältesten und umstrittensten philosophischen Grundfragen. Derzeit können wir nicht davon ausgehen, dass sich dieser Schritt hin zu einer technologischen Lebensform irgendwo nocheinmal vollzogen hat. Wir wissen einfach nicht, wie zwangsläufig dieser Prozess ist. Auf der Erde gab es schließlich auch Milliarden Jahre lang Leben, ohne dass eine dieser Lebensformen angefangen hätte, z.B. zum Mond zu fliegen oder Bücher zu drucken (that we know of
). Können wir also davon ausgehen, dass auf einem Planeten wie der Erde nach rund 4,5 Milliarden Jahren auch so eine seltsame Lebensform entsteht? Wohl nicht. Möglichweise gibt es dort draußen im Universum Planeten, die vor Leben nur so strotzen, aber auch nach 10 Milliarden Jahren noch keine raumfahrende und Wissenschaft betreibende Spezies hervorbringen. Eventuell aber, könnte genau dies auf einigen Planeten auch schon viel füher geschehen. Wer weiß? Hätte es die Dinosaurier auf der Erde aus irgendeinem Grund nie gegeben, vielleicht hätten sich schon vor 200 Millionen Jahren Säugetiere so ähnlich entwickelt, wie wir heute.
Weitere Faktoren der Gleichung sind die Neigung zur interstellaren Kommunikation und die schon angesprochene Lebensdauer technologischer Zivilisationen. Woher sollten wir darüber etwas wissen? Wir kennen nur unsere eigene Neigung zur Kommunikation und wissen, dass es "uns" in dieser Form gerademal seit ein paar tausend Jahren gibt, wobei wir erst seit weniger als 100 Jahren die Fähigkeit zur interstellaren Kommunikation besitzen. Möglichweise entscheiden wir uns in Zukunft, dass es doch keine gute Idee ist, nach außerirdischem Leben zu suchen und alles dafür zu tun, dass uns auch niemand aufspüren kann, möglicherweise Reisen wir irgendwann zu anderen Sternen, möglichweise gibt es uns aber in ein paar tausend Jahren aber auch nicht mehr. Selbst wenn wir wüssten, dass wir in 10000 Jahren nicht mehr sind, könnten wir diesen Faktor der Drake-Gleichung nicht besser bestimmen. Wer sagt uns, dass es anderen genauso ergeht?
Vorstellbar ist jedenfalls alles Mögliche, bestimmbar dagegen das Wenigste.