Da hier darauf hingewiesen wurde, daß am 5.August der Abschlussbericht der staatlichen Untersuchungskommission zum Absturz einer Proton-M am 2.7.2013 vorgelegt wurde
und das russische Internet voller Berichte zu diesem Thema sei, versuche ich hier einmal zusammenzufassen, was ich bemerkenswert fand.
Ich stütze mich dabei vor allem auf die Mitteilungen bei Novosti Kosmonavtiki, die im wesentlichen von ITAR-TASS und RIA-Novosti stammen.
Zunächst einmal: die Kommission hat tatsächlich bestätigt, was hier und an anderer Stelle (u.a. bei Anatoly Zak) auch schon ausführlich stand: die Proton ist
abgestürzt, weil der Sensorblock DUS falsch montiert war. Der Sensorblock DUS enthält 6 Sensoren zur Messung der Winkelgeschwindigkeit und kontrolliert somit die Raumlage der Rakete.
Ohne DUS kann die Rakete nicht gesteuert werden. Somit musste sie abstürzen.
Das DUS haben 3 Techniker von Chrunitschew montiert. Sie haben die korrekte Montage auch mit ihrer Unterschrift bestätigt. Der Vorgang wurde nicht durch Video überwacht.
Allerdings ist die zur Verfügung stehende Montageanleitung nicht eindeutig und man kann theoretisch die Sensoren auch falsch herum einbauen, ohne das es auffällt.
Die Montage selbst ist wohl etwas schwierig, weil man schlecht herankommt.
Roskosmos-Chef Popowkin gibt daher auch nicht den Monteuren, sondern den Konstrukteuren und Technologen Schuld an der Havarie: " Der Hauptgrund für die Havarie liegt nicht bei denen, die die Rakete gebaut haben, sondern bei den Konstrukteuren und Technologen, die nicht die Möglichkeit einer falschen Montage der Sensoren für Winkelgeschwindigkeit vorher gesehen haben."
Ganz wichtig: Juri Koptew, Mitglied der Havariekommission und ehemaliger Chef der russischen Raumfahrtbehörde, schliesst Sabotage aus. Die Raketen werden in allen Phasen streng bewacht, der Personenkreis mit Zugang ist eingeschränkt, alle entsprechenden Gebäude gesichert.
Koptew empfhielt weiterhin, mehr Militärs in die Qualitätskontrolle einzubinden. Laut seinen Abgaben hatten die militärischen Abnehmer 1994 bei Chrunitschew 238 Beschäftigte, davon 84 Offiziere. Heute sind nur noch 10 Offiziere und 33 Zivilisten als militärische Abnehmer bei Chrunitschew tätig.
Die strenge Kontrolle durch Offiziere der Weltraumtruppen hat sich laut Koptew bewährt.
Ganz anders die Aussagen von Vizepremierminister Dimitri Rogosin, dem Verantwortlichen in der Regierung für das Raumfahrtprogramm.
Rogosin bemängelt die allgemeine "niedrige technologische Disziplin" in der Raumfahrtindustrie, die seiner meiner Meinung nach auch mit groben Pflichtverletzungen einhergeht.
Das Qualitätsmanagement von Roskosmos funktioniere nicht. Generell sei das Management der Raumfahrtbetriebe schlecht. Außerdem gäbe es Überkapazitäten.
Rogosin fordert eine Trennung zwischen Roskosmos als Kunde(Besteller) von Satelliten und Raketen und gleichzeitig Produzent von Raketen und Satelliten (durch die bei
Roskosmos aufgehangenen Raumfahrtbetriebe).
Und nicht zuletzt fordert Rogosin die Entlassung von Popowkin als Roskosmos-Chef. Sein Wunschkandidat für die Nachfolge ist Igor Karawajew, Staatssekretär im Ministerium für
Industrie und Handel.
Dagegen gibt es Widerstand. Die Militärisch-Industrielle Kommission (WPK), bis heute ein wichtiges Regierungsorganisation zur Beschaffung von Wehrmaterial (auch Raketen und Satelliten),
lehnt die Entlassung von Popowkin ab.
Rogosin wünscht außerdem eine strikte Reorganisation der gesamten russischen Raumfahrtindustrie.
Neben der Raumfahrtbehörde Roskosmos solles nur noch EINEN staatlichen Industriekomplex der Raumfahrtindustrie geben.
Und nicht zuletzt übt Rogosin auch Kritik an den hohen Ausgaben der bemannten Raumfahrt.