Gott und die Naturwissenschaften
Die ungleichen Fronten zwischen den Verfechtern eines aus einem (prinzipiell ursachelosen) Quantenereignis heraus entstandenen und sich ohne transzendente Einflussnahme weiter entwickelnden Universums und den Anhängern der drei großen Glaubenslehren, die einen Schöpfergott als allein denkbare Ursache allen Seins voraussetzen, scheinen sich ziemlich festgefahren zu haben. Die Gegensätze werden noch dadurch verschärft, indem die Anhänger der Glaubenslehren Gott notwendigerweise als stets präsenten Lenker und Regulator seiner Schöpfung postulieren. Notwendigerweise deshalb, weil ein Gott, der die Schöpfung völlig absichtslos zur Existenz bringt und sich in der Folge keinen Deut mehr darum kümmert, ihnen genauso wenig denkbar erscheint, wie die Entstehung des Universums aus dem Nichts. Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung stehen die beiden großen physikalischen Theorien, die Relativitäts- und die Quantentheorie, und - als der Reibebaum schlechthin - die Evolutionstheorie! Letztere stößt vor allem bei den fundamentalistischen Anhängern der Glaubenslehren auf allerheftigste Ablehnung.
Die Frage ist also: müssen Gott und die (modernen) Naturwissenschaften unvereinbare Gegensätze sein?
"Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde."
1.Buch Mose, 1.1
"Und niemand war da, der es sehen konnte."
Der Physik-Nobelpreisträger Steven Weinberg in "Die ersten drei Minuten"
Eine jüngere Umfrage der prominenten Wissenschaftszeitschrift "Nature" (Edward J.Larson und Larry Witham, "Scientists are Still Keeping The Faith", Nature Nr.386, 1997) hat ergeben, dass immerhin 39 Prozent aller Naturwissenschaftler (Biologen, Mathematiker, Physiker, Astronomen) an einen persönlichen Gott glauben und 38 Prozent an die menschliche Unsterblichkeit. Von den Psychiatern glauben übrigens nur noch 6 Prozent an Gott. Vielleicht ist deren tägliche Konfrontation mit dem menschlichen Elend in einer seiner allerschlimmsten Ausprägungen der Grund hierfür. Wie auch immer - der mehr oder weniger laut ausgesprochene Vorwurf der "Gottlosigkeit" an die bösen Naturwissenschaftler entbehrt somit jeder Grundlage. Und unter der erwachsenen Durchschnittsbevölkerung der westlichen Industriestaaten werden diese Prozentsätze der Glaubenden mit Sicherheit noch erheblich höher liegen.
Die Frage des Menschen nach dem: "woher komme ich und wohin gehe ich?" ist so uralt wie die Menschheit selbst. Ebenso uralt ist aber auch die Frage des Menschen nach dem: "wie kann das sein und warum ist das so?" Beide Fragen sind Ausdruck eines elementaren Bedürfnisses des menschlichen Geistes, des unstillbaren Hungers nach Wissen und Erkenntnis - auch der letzten Dinge. Müssen die Antworten darauf unvereinbare Gegensätze sein, so wie es gegenwärtig den Anschein hat? Für einen -überraschend - hohen Anteil der Naturwissenschaftler scheint das nicht unbedingt der Fall zu sein. Das ist es, was hier zur Diskussion steht.
Gott und die Naturwissenschaften
Eine philosophische, somit logische (und, wenn man will: wissenschaftliche) Herleitung eines Gottesbeweises aus der Bibel ist unmöglich. Jeder, der sich an den Philosophischen Einführungsunterricht aus seiner Schulzeit erinnert, weiß das. Versuche eines Gottesbeweises generell - nicht nur auf der Basis von Ableitungen aus dem Alten Testament - hat es zu allen Zeiten und jede Menge gegeben, sie haben zu nichts geführt. Das hat bis jetzt hier aber auch noch niemand getan. Soviel nur nebenbei zum Thema, warum sich die Erde um die Sonne dreht.
Bestehen bleibt die Tatsache, dass sich bei Fortschreiten der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse gerade in jüngerer Zeit geradezu "erstaunliche" Parallelen, wenn ich das mal so sagen darf, zu gewissen Stellen des Alten Testaments und auch der apokryphen Evangelien (Thomas-Evangelium, Nag Hammadi") aufgetan haben. Man darf diese Stellen nur nicht mit religiösen Scheuklappen lesen. Als von Gott inspiriert muss man diese Überlieferungen deshalb noch lange nicht ansehen. Ich tue das am allerwenigsten, es möge sich also kein Bibelfundamentalist hiervon angesprochen fühlen. Ein Beispiel einer solch "verdeckten" Parallele möchte ich selbst hier anführen. Die Erschaffung des Menschen durch Gott ist damit allerdings weg vom Tisch, die Parallele mit der Evolutionstheorie tritt hingegen deutlich hervor.
Seit die Evolution dem Menschen sein selbstreflektierendes (sich selbst als Subjekt erkennendes) Bewusstsein beschert hat, - seit er also sprichwörtlich vom "Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen" genascht hat -, ist er imstande, über sich, Gott und die Welt nachzudenken. Das hebt ihn unendlich über alle anderen Spezies hinaus. Ein Aminosäuren-Molekül hat unbestreitbar eine höhere Qualität als ein Elektron. Das Leben ebenso wie Felsformationen. Und das selbstreflektierende Bewusstsein des Menschen überhöht alles unvorstellbar auf eine Qualitätsebene, die auf der Erde unseres Wissens noch nie da war. Das Bedürfnis des Menschen, deshalb hinter seiner Existenz und allem was ist, eine höhere Macht zu vermuten und zu suchen, ist bis auf den heutigen Tag elementar. Dass dieses elementare Bedürfnis stets von nach Macht strebenden Cliquen missbraucht wurde und wird, darin stimmen fast alle unter uns überein. Mich stimmt aber hier jetzt was anderes nachdenklich, nämlich, dass Gott nach der Schöpfungsgeschichte den Menschen zwar nach seinem Ebenbild geschaffen haben soll, ihm aber das, was ihn eigentlich erst zum Menschen macht, nämlich sein selbstreflektierendes Bewusstsein, verwehrt hätte. Jeder darf sich hierzu seine eigenen Gedanken machen.
Gott und die Naturwissenschaften
Die Zahlen der "Nature"-Studie sprechen eine beredte Sprache. Ein derart hoher Prozentsatz von Naturwissenschaftlern, der für sich persönlich einen Weg gefunden hat, an Gott zu glauben, steht ganz sicher nicht auf Kriegsfuss mit der Logik und vermischt auch nicht Glaube und Wissen. Diese Leute befinden sich auch in guter Gesellschaft (Kepler, Newton, Leibniz,).
Ich möchte jetzt aber einem Mann die Tür öffnen, der schon lange draußen wartet: es ist der Anthropologe und Jesuitenpater Teilhard de Chardin. Kürzlich haben Quantentheoretiker seine erfrischenden Gedanken zur Evolution aufgegriffen und in ein mathematisches Formelwerk gebracht, das buchstäblich alle Grenzen sprengt: Gott als letztes Ziel aller Evolution am Ende von Raum und Zeit, der berühmte "Punkt Omega" des Teilhard de Chardin.
Gott und die Naturwissenschaften
Er muss schon ein rechter Menschenfreund und Idealist gewesen sein, dieser Teilhard de Chardin. Das ist einer der beiden Gründe, warum mir dieser Mann so imponiert. Es gehört schon viel Mut und sehr viel Glaube an das Gute im Menschen dazu, ein solch hoffnungsfrohes Szenario der Weiterentwicklung der Menschheit zu entwerfen in einer Zeit, "when the Blitzkrieg raged and the bodies stank" (Rolling Stones, Sympathy für the Devil). Seine Ordensoberen haben ihn ja wegen seiner unkonventionellen Ansichten noch vor dem 2.Weltkrieg als Missionar nach China verbannt. China blieb (durch die Japaner) auch nicht vor den Gräueln dieses Krieges verschont. Dort hat er dann sein Hauptwerk "Der Mensch im Kosmos" geschrieben. Besser Hoffnung in die Zukunft zu haben, als in der Menschheit nur Sünde, Verworfenheit und Bosheit glauben erkennen zu müssen. Das Gute ist schon auch da, im kleinen. Das ist der Stoff, aus dem für mich die Hoffnung und die Freude am Leben kommt. Die Menschheit besteht aus Individuen und nicht aus Nationen und Staatengebilden. Die "charakterliche" Höherentwicklung der Menschheit war Teilhard de Chardins großartige Vision, ist aber nur eine Illusion geblieben. Die Hoffnung muss man trotzdem nicht aufgeben, glaube ich. Das will ich ganz einfach glauben, wo kämen wir denn sonst hin, hm? Wegen seiner Sicht des Fortgangs der Evolution über die Menschheit als Ganzheit haben sich auch die (exakten) Naturwissenschaften mit seinen Gedanken nicht anfreunden können. Wir wissen nicht, wie der nächste Evolutionsschritt ausschauen wird. Reine Spekulation: wohl eher in einer Überhöhung des Menschen und nicht in dessen Weiterentwicklung. Dort setzen auch die bewussten Quantentheoretiker an, der "Punkt Omega" hat sie nämlich schon fasziniert. Wir tragen, - so oder so -, unseren Teil zur Evolution bei. Einfach, weil wir da sind.
Der zweite Grund, warum mir Teilhard de Chardin so imponiert ist sein unabhängiges und vorurteilsfreies Denken, das ihn nicht vor dem Zaun seiner Glaubenslehre hat anhalten lassen. Aber die Jesuiten waren ja immer schon die wissenschaftliche Elite der röm.katholischen Kirche.
gruss tschingi
ps:Bitte nicht aus diesen Beiträgen darauf schliessen,dass ich an die geisteswissenschaftlichen Thesen glaube.
Fortsetzung folgt.
Es wird noch spannend.