Der heißeste Ort im Sonnensystem - FZJ, IEF-4

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Offline Olli

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Der heißeste Ort im Sonnensystem - FZJ, IEF-4
« am: 25. August 2008, 16:45:34 »
Hallo zusammen,

Mein Kopf war am heißesten Ort im Sonnensystem
 - was es damit auf sich hat, wird sich im Zusammenhang später klären ;)

Nach einer Woche Abwesenheit melde ich mich nun wieder zurück. Seit letzter Woche Montag bin ich im Institut für Plasmaphysik (IEF-4) des Forschungszentrums Jülich, kann euch jedoch erst heute schreiben, da ich bisher zwar einen eigenen Schreibtisch, jedoch keinen Internetzugang hatte. Eine Woche ohne Internet und schon komm ich den Postings hier schon nicht mehr hinterher... :o ;) War wohl ne ereignisreiche Woche...

Ich hoffe euch einen kleinen Einblick geben zu können, was ich hier alles erlebe, was es mit der Fusion auf sich ja und woran hier in Jülich intensiv gearbeitet wird.
Bei Sachverhalten, die unklar bleiben sollten, oder die von mir einfach zu kompliziert und unverständlich erklärt wurden, oder wenn sich eine weitergehende Frage ergibt, einfach zur Tastatur greifen und lostippen ;)

Also, nun zur Sache:
Ich habe mich zunächst mehr oder weniger informell per Email mit daran anschließendem Telefonat im Institut für Plasmaphysik (IEF-4) fr ein studentisches Praktikum beworben. Dabei hatte ich für mich vorab mehrere Ziele gesteckt, die ich mit dem Praktikum erreichen möchte.
  • Themenfindung: Plasmaphysik hört sich interessant an... doch ist es für mich so interessant, dass ich in diesem Themenbereich mein Studium vertiefen möchte und damit die Richtung meiner Bachelor- und evtl. Master-Thesis vergebe?
  • raus aus der Uni-Theorie: Trotz uni-interner Praktika, zahlreicher Demonstrationsversuche in den Experimentalphysik-Vorlesungen und der viele Übungszettel fehlt mir etwas der praktische Aspekt. Und das, obwohl ich bei praktischen Tätigkeiten nicht einmal der Begabteste bin und auch der Theorie nicht den Rücken zudrehe,
  • Forschungsalltag: Wie sieht das Alltagsleben eines Wissenschaftlers aus? Wie gestaltet sich die tägliche Arbeit? Kann ich endlich das bisher Gelernte praktisch anwenden? Finde ich mich in diesem Arbeitsumfeld zurecht und ist dies eine mögliche Perspektive für mich?
Mit diesen Fragestellungen bin ich nach Jülich!

Im Vorfeld habe ich mir im Gästehaus des Forschungszentrums eine eingerichtete 1-Zimmer-Wohnung gemietet. Hier ist es zwar ganz praktisch, es ist fast alles vorhanden, angefangen vom Wäscheständer, Bügelbrett- und eisen bis hin zum Staubsauger *nur eine Zitronenpresse in der Küche fehlte ;)*, die Nutzung einer Waschmaschine und eines Trockners gehört auch zum Mietpreis, dieser ist dafür allerdings auch nicht der Günstigste. Sicherlich gibt es Alternativen, von denen jedoch leider keine frei war, als ich gesucht habe.
Da ich an einem Sonntag im Gästehaus eingezogen bin, war mein Zimmerschlüssel an der Zufahrt zum Forschungszentrum hinterlegt. Dort ein kurzer Zwischenstop, Schlüssel abgeholt und eingezogen - alles einfach und umkompliziert.

Vom Gästehaus im Norden von Jülich ist das Forschungszentrum mit dem Fahrrad beqeum in 25 bis 30 min gemütlicher Fahrt zu erreichen. Eine kombinierte Bus- und Bahnverbindung gibt es auch, die jedoch mindestems ebenso lange benötigt.
Am ersten Praktikumstag dort angekommen hieß es für mich zunächst meinen Ausweis abzuholen und damit meine Zugangsberechtigung zum Gelände des Forschungszentrum. Also erst Perso vorlegen, Foto machen lassen, eine übliche Standardprozedur dort. Seitdem laufe ich mit einem schicken Ausweis in Hardcover-Hülle und modischem Kleiderclip herum, den es beim Betreten bzw. Verlassen des Campus immer vorzuzeigen gilt. Der Clou der Karte: innerhalb des Forschungszentrums wird jeglicher Zahlungsverkehr damit getätigt.

Im Institut für Plasmaphysik angekommen, erwartet mich nach kurzer Vorstellungsrunde durch die Büros eine exklusive Privatführung am Fusionsexperiment. Dabei ging's rundherum, oben drauf und sogar innen rein. Damit nun jeder von euch weiß, von welchem experimentellen Aufbau ich spreche, folgt nun eine Kurzeinführung in die Fusionsphysik und deren technischen Umsetzung.

Aber das erst nach der nächsten Maus... ;)
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Offline Olli

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Fusionsphysik und deren technische Umsetzung
« Antwort #1 am: 27. August 2008, 10:43:17 »
Motivation und Fusionsprinzip
Die Bemühungen und Anstrengungen, die bereits seit einigen Jahren im Bereich der Plasmaphysik unternommen werden, beruhen auf der Tatsache, dass der „Energiehunger“ der Menschen immer größer wird, die natürlich vorkommenden Ressourcen, die uns Menschen bisher zugänglich sind, jedoch begrenzt sind.
Kurzfristig sind noch keine Auswirkungen spürbar, doch bereits mittelfristig werden schwindende Öl- und Gasreserven spürbar werden. Auch ein Blick auf die CO2-Bilanz und der damit eventuell zusammenhängende Klimawandel – ein streitbarer Punkt, der hier jedoch nicht Gegenstand der Diskussion sein soll – motivieren zu einem Umdenken und zu dem Handeln, nach Alternativen zu suchen, die auf eine ökologische Art und Weise Energie für uns Menschen nutzbar machen und zudem ökonomisch arbeiten.
Unabhängig von der Methode hat jede ihre Vor- und Nachteile und es bleibt langfristig abzuwägen, welche man davon bereit ist in Kauf zu nehmen um dem steigenden Energiebedarf der Menschen gerecht zu werden.
Eine dieser Möglichkeiten kommt uns bereits tagtäglich, seit dem es uns Menschen gibt, zugute, Die Energie der Sonne. Sie strahlt sei nunmehr etwas 4,5 Milliarden Jahren ihre Energie in den Raum und scheint dabei in menschlichen Dimensionen betrachtet Ressourcen noch und nöcher zu haben.
Nun können wir uns die Sonnenenergie nutzbar zu machen, indem Fotovoltaikanlagen aufstellen. Dabei werden wir nur relativ schnell feststellen, dass die benötigte Fläche, um eine bestimmte Energiemenge zu erhalten, sehr groß ist. Das Verhältnis Fläche zu gewonnener Energie ist recht schlecht, um nicht sogar zu sagen, echt miserabel.
Eine zweite, technisch zwar weitaus kompliziertere, jedoch wesentlich ertragreichere Methode: die Sonne auf die Erde holen! Schauen wir uns die Sonne genauer an:
Die Sonne ist, wie jeder andere handelsübliche Stern auch, eine große Gaskugel, deren wesentliche Energiequelle die thermonukleare Fusion ist. Kernfusion ist ein Prozess, bei dem leichte Atomkerne miteinander verschmelzen und als Endprodukt schwerere Kerne bilden. Dabei wird im Allgemeinen Energie als kinetische Energie des neu entstandenen Kerns und weiterer Reaktionsprodukte (Neutronen, Gamma-Strahlung etc.) frei. Wegen der Energiereduktion gehen die Reaktionspartner von einem weniger stabilen in einen stabileren Zustand über. Die Masse des neuen Atomkerns ist kleiner als die Summe der Massen seiner Bauteile. Diese Massendifferenz delta m, auch als Massendefekt bekannt, entspricht dem Energiebetrag delta E = delta m * c². Die Energie, die bei der Bildung von Atomkernen aus Protonen und Neutronen frei wird, ist die Energie, die aufzubringen ist, um die Nukleonen eines Atomskerns voneinander zu trennen. Die Bindungsenergie ist eine Funktion der Anzahl A der Nukleonen, wobei A für die Massenzahl des jeweiligen Atoms steht. Trägt man die Bindungsenergie pro Nukleon B/A gegen die Nukleonenzahl auf, ergibt sich folgendes Bild.


Quelle: Wikipedia

Da die Atomkerne erst durch Zufuhr ihrer Bindungsenergie wieder zerlegt werden können, sind die Kerne in der Umgebung von A ~ 56 besonders stabil. Es handelt sich um Chrom, Mangan, Eisen, Nickel, Kobalt und Kupfer.
Kerne mit A > 56 lassen sich spalten, Kerne mit A < 56 können verschmelzen und geben dabei Teile ihrer Bindungsenergie ab.

Wie am Diagramm leicht zu erkennen ist, ergibt sich die größten Energieabgabe bei der Verschmelzung von Wasserstoffatomen.
Die geschieht auch in der Sonne.
In den meisten Sternen fusioniert Wasserstoff über mehrere Zwischenschritte zu Helium, auch bezeichnet als Wasserstoffbrennen.
Dabei liegt der Wasserstoff als ionisiertes Gas, als Plasma, vor. Bei dem in diesen Sternen herrschenden Druck liegt die für das Wasserstoffbrennen nötige Temperatur bei etwa 10 Millionen °C.

Wieso ist die Temperatur so hoch? Das Stichwort hier ist die Coulomb-Barriere. Nähern sich zwei geladene Teilchen, dies ist in einem Plasma der Fall, spüren beide Teilchen das Coulombfeld des jeweils anderen. Eine Abstoßung ist die Folge. Damit die beiden Kerne jedoch sich vereinigen können, müssen sie diese abstoßenden Kräfte bzw. das Potential (die sog. Coulomb-Barriere), das eine weitere Annäherung verhindert überwunden werden.

Zum Glück schüttelt die Quantenmechanik hier nun ein Ass aus dem Ärmel. Laut den Gesetzen der QM besteht bei Teilchen eine endliche Wahrscheinlichkeit für das Durchdringen von Potentialbarrieren. Kurz, der Tunneleffekt (siehe obigen Grafik) erlaubt Energien, die niedrigere sind als zum Überwinden der Coulomb-Barriere notwendig wären, um zwei Teilchen so nah aneinander zu bringen, dass sie verschmelzen. Es wird lediglich eine gewisse Energie benötigt, um den Tunneleffekt zu ermöglichen. Bei der Sonne liegt diese Energie etwas bei 10 Millionen °C. Diese wird unter Plasmaphysikern in der Regel in Elektronenvolt [eV] angegeben:
T [eV] = e * 1V / k = 11 600 K, mit T = Temperatur und k = Boltzmann-Konstante (1 eV entspricht also groß 10^4 K).

Die Fusionsreaktion in der Sonne finden in ihrem Kern statt, dort wo der gravitative Druck unheimlich hoch ist und die Teilchen ohnehin noch weiter zusammen drückt.
Will man nun eine Fusion hier auf der Erde ermöglichen, muss, mangels gravitativem Druck, die thermische Energie um einiges höher sein, als in der Sonne. Typische Temperaturen, auf die das Plasma geheizt werden muss, damit die Fusionsreaktion startet, liegen 100 - 150 Millionen Kelvin, also 10 000 bis 15 000 eV. Dies beinhaltet ein Problem, auf das ich später eingehen werde.

Weiter geht's im nächsten Beitrag...

« Letzte Änderung: 27. August 2008, 16:42:33 von Olli85 »
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Offline Olli

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Re: Der heißeste Ort im Sonnensystem - FZJ, IEF-4
« Antwort #2 am: 27. August 2008, 10:58:42 »
Fortsetzung...

Die vier Möglichkeiten Wasserstoff zu fusionieren, sind Folgende:
Achtung: die Zahlen vor den Elementen sind NICHT die Anzahl, sondern die Massenzahl!
  • D + D --> 3He + n + 3,268 MeV
  • D + D --> T + p + 4,03 MeV
  • D + T --> 4He + n + 17,588 MeV (größter Wirkungsquerschnitt)
  • D + T --> 4He + p + 18,34 MeV
Dabei steht D für Deuterium, T für Tritium, beides Wasserstoffisotope mit einem bzw zwei Neutronen, n für ein Neutron und p für ein Proton.

Innerhalb der Fusionsforschung wird die dritte Reaktion bevorzugt, da sie zum einen den größten Wirkungsquerschnitt besitzt, zum anderen werden die schnellen Neutronen benötigt. Sie sind ungeladen, können daher das Plasma verlassen und dienen als Energieträger nach außen.

Diese Reaktion findet in einem Vakuumgefäß statt, in dem das Plasma eingeschlossen wird. Wie dieser Einschluss funktioniert (ihr könnt ja mal Vorschläge einreichen ;) - achtet dabei auf die Plasmatemperatur!)  und wie nun der konkrete Aufbau der "Maschine" aussieht, berichte ich später, da ich gleich zu einem Testlauf einer Diagnostik, die H-Alpha aus dem Plasmagefäß detektieren soll, in den Bunker muss...
 
Viele Grüße,
Olli
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Offline Chewie

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Re: Der heißeste Ort im Sonnensystem - FZJ, IEF-4
« Antwort #3 am: 27. August 2008, 15:51:28 »
Bild von Arbeiten innerhalb von TEXTOR am FZ Jülich



Weiter Infos zu dieser Art von Tokamak Fusionsreaktor:
http://de.wikipedia.org/wiki/Tokamak
"Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen." Niels Bohr

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Offline Olli

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Re: Der heißeste Ort im Sonnensystem - FZJ, IEF-4
« Antwort #4 am: 27. August 2008, 16:50:54 »
Zwischenstopp am Rechner...

zum Bild von Chewie:
Die Aufnahme zeigt den schon fortgeschrittenen Einbau des DED-Spulen-Systems, einer weltweit einzigartigen Anlage, die bewusst Störfelder im Plasma induziert, um damit die Wärme auf der Innenwand besser zu verteilen und einzelne Wandkomponenten thermisch zu entlasten. Später dazu noch mehr...

Der orange "Blaumann" und die Schuhüberzieher sind Standardkleidung, wenn innerhalb des Tokamaks TEXTOR gearbeitet wird. Er wird von alle liebevoll "die Maschine" genannt.

So...nun ist Feierabend...  ;D
Morgen geht der Bericht weiter...

viele Grüße, Olli
« Letzte Änderung: 27. August 2008, 16:55:17 von Olli85 »
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tobi453

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Re: Der heißeste Ort im Sonnensystem - FZJ, IEF-4
« Antwort #5 am: 27. August 2008, 16:54:22 »
Sehr informativ das Ganze. Nur weiter so! :D

cake

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Re: Der heißeste Ort im Sonnensystem - FZJ, IEF-4
« Antwort #6 am: 18. September 2008, 14:54:54 »
Hi Forum
Da bin ich doch mal auf einen interessanten Blog/Forumeintrag gestossen :D

Zitat
Diese Reaktion findet in einem Vakuumgefäß statt, in dem das Plasma eingeschlossen wird. Wie dieser Einschluss funktioniert (ihr könnt ja mal Vorschläge einreichen ;) - achtet dabei auf die Plasmatemperatur!)
Da so ein Plasma aus ionisierten Teilchen besteht kann man es mit einem elektromagnetischen Feld umlenken, oder eben von den Reaktorwänden fern halten ;)


Ich hätte noch eine Frage die du mir sicher beantworten kannst.
Ich wusste, dass Eisen das Optimum darstellt, resp. das stabilste Element ist (oder wie man das auch immer sagen mag). Ich meine auch, dass ich darauf mal in einer Chemielektion mit einer logischen, relativ einfachen Überlegung drauf gekommen bin (Ich glaube bei der Betrachtung des Periodensystems). Allerdings ist das schon so lange her, dass ich mich nicht mehr an diese Überlegung erinnere..
Ist es so? Gibt es eine einfache Erklährung warum alles unterhalt von Eisen beim fussionieren Energie abgibt und alles oberhalt Energie für die Fussion braucht, resp. Energie bei der Fission abgibt? Kann man es mit dem Atom-Schalenmodell erklären?

PS: Bin weder Physiker noch Chemiker..

PPS: Freue mich schon auf weitere Berichte von deinem Praktikum :)

Graaz
cake

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Offline Olli

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Re: Der heißeste Ort im Sonnensystem - FZJ, IEF-4
« Antwort #7 am: 24. September 2008, 18:37:42 »
Hallo zusammen,
nach längerer Zeit melde ich mich nun wieder!
Leider hat es nicht so geklappt, wie ich mir das vorgestellt habe, dass ich während des Praktiums fleißig berichten kann.
Ich hatte zwar einen eigenen Schreibtisch mit Computer und Internet im Institut, doch tagsüber gabs soviel zu schauen, zu fragen, zu "nerven" ;) und selbst zu arbeiten, dass ich nicht zum Schreiben gekommen bin und abends ging es technisch leider nicht, da ich auf meinem Zimmer keinen Internetanschluss hatte *grummel  >:( :o*

Ich bin nun wieder zurück in heimatlichen Gefilden und werde den Thread endlich weiterführen können.
Da ich in den nächsten drei Wochen allerdings wieder Prüfungen anstehen, werd ich nicht jeden Tag schreiben können. Ich geb mir aber größte Mühe, vieles von dem Erlebten euch hier näher zu bringen alle hier aufkommenden Fragen zu beantworten.

@Cake:
Eine sehr interessante Frage! Dies hat mit den Bindungsenergien der einzelen Nukleonen (Kernbausteinen) zu tun. Bis zum Eisen ist die Energie, die aufgebracht werden muss, um Fusion zu erreichen, also die Energie, um die abstoßenden Kernkräfte zu überwinden, geringer als die Energie, die notwendig ist, um die Kerne zu spalten. Jenseits von Eisen ist es genau umgekehrt.

Interessant ist auch, dass in der Natur nur Elemente bis Eisen durch Fusion entstehen können. Alle darüber liegenden Elemente enstehen durch kerninnere Reaktionen. Welche dies genau sind, bin ich grad allerdings überfragt... *da gibts wohl wieder was für mich zu klären ;)*

Viele Grüße
Olli
« Letzte Änderung: 24. September 2008, 18:40:43 von Olli85 »
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Offline Mary

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Re: Der heißeste Ort im Sonnensystem - FZJ, IEF-4
« Antwort #8 am: 06. Oktober 2008, 22:24:25 »
Hallo Olli,
bin jetzt endlich dazugekommen, mir deinen Bericht durchzulesen.

Jetzt eine Frage: Du schreibst es gibt mehrere Arten Wasserstoff zu fusionieren. Ok, aber welche Faktoren bestimmen jetzt, welche Art tatsächlich geschieht? Wenn jetzt in dem Plasma Deuterium und Tritium sind, wann passiert die Fusion mit 4He + n und wann die mit 4He + p?
Hängt das von Druck und Temperatur ab oder geschieht das rein zufällig oder liegt das an etwas anderem?


Zitat
   D + T --> 4He + p + 18,34 MeV
Wo kommt das Proton her? Die einzige Möglichkeit, die mir einfällt, ist dass das ähnlich wie beim Beta-Zerfall ist, dabei zerfällt ja meines Wissens ein Neutron in ein Elektron und ein Proton (Wie das genau funktioniert, verstehe ich zwar nicht ganz...). Aber dann müsste doch noch ein Elektron dabei stehen?

Und: Gilt für Plasma eigentlich wie bei (idealen) Gasen T=p*V oder ist das komplett hinfällig?

Mary

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Offline Olli

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Re: Der heißeste Ort im Sonnensystem - FZJ, IEF-4
« Antwort #9 am: 10. Oktober 2008, 00:13:01 »
Hallo Mary,
das, was ich dir per PN geschrieben hab, ist meiner Meinung nach nur ein Teil der Wahrheit ;) Ganz sicher bin ich mir jedoch nicht.
Es gibt mehrere Arten von Wasserstoff in dem Sinne, dass es unterschiedliche Isotope gibt. Wasserstoff -  1 Proton (p), Deuterium, 1p und 1n, und Tritium - 1p und 2n.
Welche Reaktion im Plasma nun Auftritt ist u.a. abhängig von der Temperatur des Plasmas und damit der thermischen Energie der einzelnen Teilchen, sprich der Geschwindigkeit, mit der sie sich bewegen.
Eine mögliche Erklärung wäre, dass sich Neutronen leichter vom Kern lösen als Protonen, da diese durch die starke Wechselwirkung stärker gebunden werden als die Neutronen. Das ist jedoch nur eine Vermutung, dafür kenne ich mich noch nicht gut genug mit Kern- und Elementarteilchenphysik aus. Weiß das jemand anderes vielleicht?
Eine Erklärung, die mir selbst etwas besser passt, ist eine quantenmechanische. Da es sich um elementare Naturbausteine handelt, schlägt die Quantenmechanik hier natürlich zu. In der Quantenmechnik wird in der Regel alles in Wahrscheinlichkeiten und mit Zufallsverteilungen angegeben. Auch die Fusionsreaktionen sind zufallsverteilt, sodass mal  die eine, mal die andere Reaktion auftreten kann.
Ich werde dazu jedoch noch weitere Nachforschungen anstellen. ;)

Die zweite Frage ist hingegen leicht zu beantworten. :)
Ich hab mich oben einfach vertan. Es muss nämlich wie folgt heißen:

D + 3He --> 4He + p + 18,34 MeV

T und 3He unterscheiden sich nämlich genau um das eine zusätzliche Proton im 3He. Und dann passt's :)

Bleibt noch die dritte Frage. Da es sich um ein Gas handelt, gilt auch die allgemeine Gasgleichung aus der Thermodynamik T = pV.
Hilfreich ist hier auch die Verknüpfung mit p = nkT, mit n = Teilchenzahl, k = Boltzmann-Konstante und T = Temperatur, da innerhalb eines Fusionsexperiments wesentlich geringere Dichten vorliegen. Dort kommen ca. 10^19 Teilchen auf den Kubikmeter.
Uns selbst umgeben bei einem Druck von einer Atmosphäre ca. 10^23 Teilchen - das sind immerhin 4 Größenordungen Unterschied.

Grüße,
Olli


PS:
Deuterium riecht übrigens genauso wie Wasserstoff - ein eindeutiger Beweis, dass es sich hierbei lediglich um unterschiedliche Isotope des gleichen Elements handelt und nicht um zwei Elemente! ;)
Wichtig: Bitte nicht zuhause nachmachen!!!
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ilbus

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Re: Der heißeste Ort im Sonnensystem - FZJ, IEF-4
« Antwort #10 am: 10. Oktober 2008, 02:34:53 »
Die Zündtemperatur bei dem Deuterium und Tritium ist kleiner und daher technisch leichter erreichbar. Das ist der Grund, warum es die Braune Zwerge gibt - der Gravitationsdruck reicht noch nicht für die Wasserstoffzündung aus, doch sehr wohl für den Deuterium und Tritium.

Olli hat es richtig geschrieben, bei der Erklärung handelt es sich um die Quanteneffekte. Genauer geht es um den Wirkungquerschnitt bei der jeweiligen Fussionsreaktion.

Um den Wirkungsquerschnitt zu erklären kann man eine grobe Analogie mit Biljard betrachten. Man schiesst die Kugeln blind herum. Auf dem gleichgrossen Tisch werden die grösseren Kugeln viel heufiger als die kleinen zusammenstossen. Das Zusammenstossen symbolisiert hier die Fusionsreaktion. Die Stosskraft der Keue entspricht einer bestimmten Temperatur. Höhere Temperatur - stärker Stoss der Keue. Der Wirkungsquerschnitt, ist der Durchmesser der Kugel.

Das Deuteriumkern hat einen grösseren Wirkungsquerschnitt als der Wasserstofkern, weil er doppelt so gross ist. Der Tritium ist dann noch mehr reaktionsfreudiger weil es etwa dreimal so gross ist ;).

In den Anfangsphasen der Sternevolution wird daher als erstes Tritum aufgebruacht, danach Deuterium, danach Wasserstoff.

Für das Helium gilt es aber nicht mehr, weil er zwar einen großeren Kernradius als Tritum hat, doch ist die Kernladung doppelt so gross, und somit vergrössert die Abstossung der Kerne von einander. Dies veringert die Reaktionswahrscheinligkeit.

 In dem Biljardbeispiel stelle man einfach die Kugeln als sich immer abstossenden Magnete vor. Wasserstoff, Deuterium und Tritium stossen sich gleich stark ab, doch der Durchmesser unterscheidet sich, und beschreibt somit den verschiedenen Sachverhalt der drei Wasserstoffisotope. Die Heliumbiljardkugel hätte zwar größeren Durchmesser, doch eine Doppelt so starke Abstossungskraft, es käme viel seltener zur Berührungen (also Fusionsreaktionen)

Die Analogie ist natürlich weit hergeholt, als Durchmesser der Kugel kann man den mittleren Abstand zur Tunnelung der Kerne ineinander betrachten, doch das geht noch tiefer in die Materie der Kern- und Teilchenphysik.

Privet. Yevgenij
« Letzte Änderung: 10. Oktober 2008, 02:53:03 von H.J.Kemm »

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Offline Mary

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Re: Der heißeste Ort im Sonnensystem - FZJ, IEF-4
« Antwort #11 am: 10. Oktober 2008, 16:46:15 »
Hallo Olli, hallo Yevgenij,
danke für eure Antworten.

@Yevgenij: Ich finde den Vergleich mit den Billardkugeln super. Auch wenn es, wie du sagst, recht weit hergeholt ist, man kann es sich so sehr gut vorstellen.

Mary

GG

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Re: Der heißeste Ort im Sonnensystem - FZJ, IEF-4
« Antwort #12 am: 11. Oktober 2008, 18:25:48 »
Nun habe ich auch eeeeendlich Zeit gefunden, Ollis Erlebnisse durchzugehen. Leider sind sie theoretischer als erhofft. Ich würde mir mehr Details aus der Praxis wünschen, wenn ich darf.  ;)

Für die Kernprozesse benutzt man mitunter mehrere Modelle, weil eines nicht jeden Effekt allgemeinverständlich erklären kann. Ich werde mal versuchen, für weiteres Licht im dunklen Potentialtopf zu sorgen.

Die Kernbestandteile sind Protonen (positiv geladen) und Neutronen (elektrisch neutral), zusammen werden sie Nukleonen (Kernteilchen) genannt. Jede Kontaktstelle zwischen zwei Nukleonen sorgt für Bindung (Distanz unter 10-15 m). Das gebundene Teilchen ist in einem energetisch günstigeren Zustand und gibt die Bindungsenergie an die Umgebung ab. Das ist unser Energiegewinn, den man auch als Massendefekt bezeichnet, da der neue Kern weniger Masse hat als die Einzelteile. Klingt komisch, ist aber korrekt: E = mc².

Wenn wir zu Bett gehen, verringert sich ja auch unser Aktivitätsniveau (außer bei bestimmten Tätigkeiten, auf die ich hier nicht näher eingehen möchte).

Eine Kugel allein hat keine Kontaktstelle, zwei Kugeln haben eine Kontaktstelle, wir gewinnen also jeweils eine "Portion" Bindungsenergie. Drei Kugeln ordnen sich so an, dass sie drei Kontaktstellen haben. Das könnt ihr selbst mit Murmeln ausprobieren. Vier Kugeln kommen auf 6 (!) Kontaktstellen. Die Kernform entspricht einem Tetraeder, drei Kugeln unten und eine auf der Spitze. 6 Kontaktstellen gegenüber drei zuvor bedeutet einen großen Energiegewinn. Bei 5 Nukleonen sind es neun Kontaktstellen usw. Die Funktion steigt anfangs steil an und flacht dann zusehends ab. Olli hat oben ein Diagramm.

Eine sehr stabile Packung ist eine Kugel in der Mitte und 12 drumrum. Das geht mit gleich großen Murmeln leider nicht mehr makroskopisch, aber wie Yev schon geschrieben hat, überlagern sich die Einflusssphären der Teilchen durch den Tunneleffekt gegenseitig. (Ein Punkt, der mir persönlich klar gemacht hat, dass Teilchen eigentlich auch nur Energiedinger sind.) Nukleonen sind eben keine Murmeln oder Billardkugeln.

Ein Kern mit 13 Nukleonen, in dem zwischen zwei sich abstoßenden Protonen immer noch ein oder besser zwei Neutonen sind, ist besonders stabil. Derartige Inseln der Stabilität gibt es auch bei größeren Kernen. Sind sich die Protonen dagegen zu nah, dann passiert es früher oder später, dass ein Proton ein Positron (und ein Antineutrino) ausspeit und damit zu einem Neutron wird. Das Proton hat sozusagen die Seite gewechselt. Das nennt man auch Kernzerfall (Beta-plus), da er von selbst passiert. Dass ein Neutron zu einem Proton wird, indem es ein Elektron und ein Neutrino ausspuckt, gibt es auch; Beta-minus). Im schlimmsten Fall wird ein Quartett aus zwei Protonen und zwei Neutronen rausgeworfen, das wäre dann ein Alphateilchen (Heliumkern). Das ganze nennt man Alpha-Zerfall. Die einfachste Form ist ein Gammazerfall, da wird nur ein zappeliges Nukleon beruhigt (nur ein Gammaquant entfleucht).

Die Kugelpackungen versuchen immer möglichst nahe an der Idealform "große Kugel" zu sein. Bei Instabilitäten weichen Protonen einander aus, der Kern wird ellipsoid. Damit sinkt aber auch die Zahl der Kontaktstellen, der Bindungsenergiegewinn geht flöten. Bei 56 Nukleonen besteht ein absolutes Maximum an gewonnener Bindungsenergie, pro Nukleon wohlgemerkt.

Danach gewinnen Protonenabstoßung (Coulombanteil) und Oberflächenvergrößerung (Deformationsanteil) die Oberhand, das sind leider Energieverluste für uns. So erklärt sich das Wechselspiel von Stabilität bzw. Instabilität der Kerne. Im Allgemeinen sind mehr Neutronen im Kern als Protonen, da diese sich ja nicht gegenseitig abstoßen.

Ich hoffe, es war nicht zu viel auf einmal. Es gibt noch weitere Effekte, die aber für das allgemeine Verständnis nicht so wichtig sind.

Und nun die Murmeln herausgeholt und rumgespielt.
(Physik = Modell + Experiment)

Grüße, GG.
« Letzte Änderung: 11. Oktober 2008, 18:37:22 von GG »

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Offline Chewie

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Re: Der heißeste Ort im Sonnensystem - FZJ, IEF-4
« Antwort #13 am: 13. Oktober 2008, 14:46:19 »
Zitat
Bei 56 Nukleonen besteht ein absolutes Maximum an gewonnener Bindungsenergie, pro Nukleon wohlgemerkt.

56 Nukleonen? Ich dachte das wären 52. Weil ja Eisen (Ordnungszahl 26 = 26 Protonen + 26 Neutronen) das stabilste Element ist.  Mit 56 Nukleonen wär es dann Nickel (Ordnungszahl 28).

Oder habe ich da was falsch verstanden... so als nicht Physiker...   :-?
"Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen." Niels Bohr

Kreuzberga

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Re: Der heißeste Ort im Sonnensystem - FZJ, IEF-4
« Antwort #14 am: 13. Oktober 2008, 15:06:43 »
Hallo Chewie,

die Kernladungszahl (Anzahl der Protonen im Kern) muss nicht immer der Zahl der Neutronen im Kern entsprechen. Das am häufigsten vorkommende Eisen-Isotop ist 56Fe. Wie du schreibst, hat dieser Eisenkern zwar 26 Protonen. Mit 30 Neutronen aber einen deutlichen Neutronenüberschuss.

52Fe gibt es auch, allerdings nicht in der Natur. Seine Halbwertszeit beträgt nur einige Stunden.

*

Offline Chewie

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Re: Der heißeste Ort im Sonnensystem - FZJ, IEF-4
« Antwort #15 am: 13. Oktober 2008, 16:18:30 »
Scheibar sind die Isotope von Eisen, Cobald, Nickel, Kupfer usw. generell stabiler. Gibt es eine Erklärung dafür das ein paar mehr Neutronen bei der Stabilität helfen?
"Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen." Niels Bohr

GG

  • Gast
Re: Der heißeste Ort im Sonnensystem - FZJ, IEF-4
« Antwort #16 am: 13. Oktober 2008, 21:16:24 »
Zitat
Scheinbar sind die Isotope von Eisen, Cobald, Nickel, Kupfer usw. generell stabiler. Gibt es eine Erklärung dafür das ein paar mehr Neutronen bei der Stabilität helfen?
Neutronen stoßen sich elektrisch nicht gegenseitig ab, da sie neutral sind. Protonen dagegen sind gleichnamig (positiv) geladen, stoßen sich also ab. Liegen ein paar Neutronen als Puffer zwischen den Protonen, erhöht dies die Stabilität des Kerns. Man kann das aber nicht verallgemeinern. Deformiert sich der Kern, dann wird er wieder instabiler.

Cs-134 - 2,06 Jahre Halbwertszeit
Cs-135 - 2 Millionen Jahre Halbwertszeit
Cs-137 - 30,17 Jahre Halbwertszeit.

Die Anzahl der Neutronen wird immer größer, die Stabilität schwankt. Es gibt keine Regel.

Eisen-59 hat eine Halbwertszeit von nur 59 Tagen!

(Halbwertszeit ist die Zeit, in der die Hälfte eines radioaktiven Materials zerfallen ist.)

Gruß, GG.