Mensch als Energiequelle in der Raumfahrt

  • 27 Antworten
  • 8084 Aufrufe

Ullerich

  • Gast
Re: Mensch als Energiequelle in der Raumfahrt
« Antwort #25 am: 09. März 2007, 11:21:33 »
Hi,

Zitat
Die Elektronik macht riesen Vortscritte, so dass Energieverbrauch deutlich sinkt. Es gibt Ansätze, da wirst du nur staunen wenn du davon erfährst. Vergleich Radios vor 80 Jahren und heute, wie reden hier von reduzierung des Gewichts und Verbrauchst um 1000-faches.
Ich staune schon seit fast 30 Jahren nicht mehr darüber, ich bin da mittendrin. Das ändert leider nichts daran, daß das Bewegen von Masse etc. der Physik unterliegt, die seit vielen Millionen Jahren gilt.
Der Energiebedarf einer Steuerelektronik ist zwar gesunken - im Gegenzug hat sie deutlich mehr Aufgaben übernommen und wird dadurch wieder energiehungriger - aber der Leistungsbedarf eines Relais ist nur um einige Prozent gesunken. Insofern ist deine Aussage irrelevant, denn der Anteil der Elektronik, den man überhaupt im Energieverbrauch ändern kann, ist nur sehr gering.


Du schreibst: "Lunar Rovers. Ziel war die Mobilität der Astronauten zu steigern.". Unter der Prämisse werde ich mal eine kleine Einsatzbilanz aufgrund deiner guten Vorarbeit erstellen.

Nehmen wir an, die Einsatzzeit eines Raumanzuges verbleibt bei 6 Stunden. Mehr ist kaum sinnvoll, denn das ist körperliche Schwerstarbeit. Ich bin bei einer Freiwilligen Feuerwehr und war jahrelang Atmeschutzgeräteträger. Glaub mir, ein Einsatz unter Atemschutz ist kein Zuckerschlecken. Die persönliche Schutzausrüstung und der Preßluftatmer wiegen wo um die 20 kg. Das ist in etwa vergleichbar mit dem, was die Astronauten auf dem Mond erlebten.

Sind wir uns beide über folgende Aussagen einige:
- Raumflug ist teuer und eine Mission verfügt nur über eng begrenzte Resourcen.
- Der Mensch muß daher optimal eingesetzt werden.
- Fahrzeiten zu externen Zielen (außerhalb der Basis) müssen so gering wie möglich ausfallen. Das ist das, was du mit hoher Mobilität beschrieben hast.

(Ich betrachte Fahrzeiten als mehr oder weniger unproduktive Zeit)

Nehmen wir also an, der zuständige Stationsgeologe Karl Urban (in 20 jahren ist der bestimmt dabei ;) ) findet ein interessantes geologisches Ziel in ca. 13 km Entfernung von der Station. Er schätzt, daß dort ca. 200 Mannstunden Arbeit (oder 100 Stunden für die 2 Mann Crew) geleistet werden müssen.

Schauen wir uns mal den Rover an:
Geschwindigkeit 13 km/h: Das ergibt eine Fahrzeit von 2 Stunden (hin, zurück). Verbleiben noch 4 Stunden Aufenthalt am Ziel. Das klingt doch schon mal recht gut.
Um also die Arbeit zu erledigen, müssen insgesamt 25 Fahrten (2 Stunden Fahrzeit, 4 Stunden Aufenthalt) durchgeführt werden, wenn wir mal von den 6 Stunden Betrieb des Raumanzuges ausgehen.
Dann ist ein Anzug 150 Stunden im Einsatz.

Dein Tret-O-Mobil kann mit folgenden Daten trumpfen:
Bei einer Geschwindigkeit von 5 km/h (die ich leider auch für viel zu optimistisch halte) werden 5,2 Stunden Fahrzeit benötigt. Damit verbleibt eine Einsatzzeit von 0,8 Stunden. Das sind dann 125 Fahrten.
Dabei wäre ein Anzug 750 Stunden im Einsatz. Daraus folgt, daß er 600 unproduktive Stunden mehr im Einsatz ist und dabei auch für 600 Stunden zusätzlich Energie und Sauerstoff verbraucht werden.

Diese Bilanz sieht in meinen Augen mehr als verheerend aus. Statt einer Erhöhung der Mobilität ist das eine deutliche Verschlechterung. Dann sollten die gleich zu Fuß gehen. Deine Rechnung mit den Solarpanels ist insofern auch nicht sinnvoll, da ich die Station selber schon mit Strom versorgen muß und die Energieinfrastruktur schon vorhanden ist. Die Rover würden da nur eine geringe Mehrbelastung hervorrufen.

Du schreibst auch:
Zitat
Dabei werden unter umständen auch die Arbeitsbedingungen atraktiever, so auch der Zustellungsaufwand geringer.

Du glaubst wirklich, daß es attraktiver ist, mit eigener Muskelkraft eine sportliche Hochleistung zu vollbringen und dann noch sinnvolle Tätigkeiten an einem Einsatzort zu verbringen? Sorry, aber das ist völlig an der Realität vorbei. Die Arbeit in einem Raumanzug ist schon so schwer genug und gilt als anstrengend, jedenfalls nach dem, was ich von den EVAs der ISS und des Spaceshuttle so gehört habe.

Zum Schluß noch eine Anmerkung zu deinen Rechnungen:
Du hast einen wichtigen Faktor vergessen, den Wirkungsgrad. Wenn der Mensch an den Füßen eine Leistung von 100 Watt erzeugt, so kommen diese 100 Wat niemals als mechanische Leistung an den Rädern an. Wenn du gut konstruierst, werden das noch rund um 80 Watt (oder 160 für 2 Astronauten) sein.
http://de.wikipedia.org/wiki/Wirkungsgrad#Beispiele

Wenn bei einem Einsatz etwas schief geht (Kühlsystem Anzug versagt, die körperliche Leitung des Astronauten geht gegen 0), dann kann ein einzelner Astronaut seinen Kameraden retten, wenn er einen Rover fährt, wenn er strampeln muß, dann ist Ende angesagt. Denn der eine wird sterben und der andere kann sich auch nicht mehr selber retten. Das solltest du auch berücksichtigen.

mfg Ulrich

ILBUS

  • Gast
Re: Mensch als Energiequelle in der Raumfahrt
« Antwort #26 am: 09. März 2007, 12:49:35 »
Was für eine gut begründete Kritik! Danke :)

So was fehlt mir oft selber, vor Allem, wenn ich mich für irgendwas begeistert habe. Da schalten bei mir manche Schaltkreise kurz ;) Ich lasse mich oft ziemlich weit von einer Idee leiten, obwohl ich nicht genug darüber weis ob der Aufwand sich lohnen würde.

Ullerich

  • Gast
Re: Mensch als Energiequelle in der Raumfahrt
« Antwort #27 am: 09. März 2007, 14:14:34 »
Hi,

Zitat
Was für eine gut begründete Kritik! Danke :)

*erröt*

Ebenfalls Danke. Ich hatte schon das Gefühl, dir zu sehr auf die Füße getreten zu sein.

Ich denke aber, daß es durchaus einen Einsatzzweck gibt. Denk mal einige Jahre weiter, wenn es Siedlungen unter Kuppeln geben sollte. Dann sind Handkarren und Dreiräder für die kuppelinterne Beförderung von Waren oder Menschen IMHO durchaus sinnvoll. Du hast glatte Verkehrswege und damit die besten Voraussetzungen.

Ich war mal früher im Bergbau als Praktikant. Da sind wir mit einer Art von Fahrrad im Kohlebergbau gefahren, aber nicht auf der Straße, sondern auf den Schienen der Grubenbahn. Tja, und wenn da mal ein Zug vor uns war, haben wir uns angehängt und brauchten nicht selber treten. Das hatte was.
siehe: http://www.untertage.com/forum/files/geg.ii-fahrrad-4673_122.jpg

mfg Ulrich