Nochmal zum allgemeinen Verständnis: Warum ist die Herstellung von Plutonium für RTG so schwierig und was unterscheidet es von "normalem" Plutonium das in Bomben verwendet oder in Kernkraftwerken verwertet werden kann?
Natürliches Uran besteht zu etwa 99,3% aus dem Isotop 238U und zu etwa 0,7% aus dem Isotop 235U. Nur letzteres ist durch thermische Neutronen in einem Kernreaktor spaltbar.
Trifft ein Neutron auf das Isotop 238U kann es von diesem eingefangen werden, es bildet sich das kurzlebige Isotop 239U. Nach einer Halbwertszeit von etwa 24 Minuten zerfällt dieses per Betazerfall zu Neptunium, 239Np, dieses wiederum zerfällt ebenfalls per Betazerfall mit einer Halbwertszeit von etwa zwei Tagen zu Plutonium, 239Pu.
Dieses 239Pu ist gut thermisch spaltbar, es ist das "normale" Plutoniumisotop das wir aus Kernreaktoren und Bomben kennen. Für RTG ist es aber kaum brauchbar. Seine Halbwertszeit von 24110 Jahren bedingt eine sehr kleine Zerfallswärmeleistungsdichte. Denkbar wäre allenfalls ein "geboosteter" RTG -eine Erklärung würde wohl zu weit führen- oder eben ein Reaktor mit 239Pu als Brennstoff; in beiden Fällen wäre aber eine schwere Abschirmung erforderlich was vor allem im Leistungsbereich unter etwa 1kW problematisch ist, bei größeren Leistungen zunehmend weniger (es gibt eine logarithmische Abhängigkeit zwischen Reaktorleistung und Abschirmaufwand).
Wesentlich geeigneter ist das Plutoniumisotop 238Pu mit einer Halbwertszeit von 87,7 Jahren und einer im Vergleich zu 239Pu etwa 300 mal so großen Zerfallswärmeleistungsdichte. Aber wie bekommt man das?
Für die Herstellung von 238Pu muss man zunächst das Neptuniumisotop 237Np mit Neutronen bestrahlen. Das ist nicht ganz unproblematisch. Bestrahlt man das 237Np mit Neutronen entsteht zunächst 237Np welches nach etwa 2 Tagen wiederum durch Betazerfall zu 238Pu wird- aber bestrahlt man die Probe zu lange wandelt sich das 238Pu seinerseits zu 239Pu um was man natürlich nicht möchte. Man muss das Neptunium daher regelmäßig aufbereiten also das bereits gebildete 238Pu chemisch abtrennen und das 237Np wieder in den Reaktor einsetzen. Weil das Pu-238 hochgradig radiotoxisch ist müssen alle Arbeiten in speziellen Handschuhkästen ausgeführt werden.
Um genügend Neutronen zu bekommen und in einer gegebenen Zeit eine makroskopische Menge zu produzieren braucht man auch einen ziemlich leistungsstarken Reaktor.
Um das alles machen zu können braucht man natürlich auch erstmal 237Np. Dieses entsteht in seltenen Fällen beim Einfang eines schnellen Neutrons im 238U in einem Kernreaktor. Es kommt dann zu einer sogenannten n-2n Reaktion bei der der Einfang des Neutrons zur Emission zweier Neutronen führt. Es entsteht zunächst das kurzlebige 237U das anschließend per Betazerfall zu 237Np wird. Dank dieser Reaktion entstehen einige hundert Gramm 237Np pro Jahr im Brennstoff normaler Kernkraftwerke- man kann es anschließend bei der Wiederaufbereitung abtrennen. In kommerziellen Wiederaufbereitungsanlagen wird allerdings auf die Abtrennung des 237Np verzichtet weil diese unökonomisch ist, das 237Np landet zusammen mit den Spaltprodukten im verglasten Abfall bzw. im Endlager.
In der Vergangenheit, also bis in die 1990er Jahre, erfolgte die Herstellung von 238Pu quasi als Nebenprodukt der militärischen Produktion von 239Pu für Kernwaffen. In militärischen Wiederaufbereitungsanlagen wurde das 237Np aus dem abgebrannten Brennstoff militärischer Plutonium-Brutreaktoren abgetrennt und anschließend zur Erzeugung von 238Pu wieder in die selben Reaktoren eingeführt. Die chemische Abtrennung des 238Pu erfolgte in den radiometallurgischen Laboratorien dieser Anlagen.
Allerdings: Diese Anlagen gibt es heute nicht mehr. Es gibt keine militärischen Wiederaufbereitungsanlagen mehr die 237Np abtrennen, es gibt keine militärischen Plutonium-Brutreaktoren mehr in die man einfach im laufenden Betrieb 237Np Proben zur Bestrahlung einführen und entnehmen kann, es gibt die angeschlossenen radiometallurgischen Laboratorien nicht mehr, die ganze milliardenteure Infrastruktur die man bei der 238Pu Produktion mitbenutzen konnte existiert nicht mehr. Jedenfalls nicht in den USA.
Man muss daher quasi das Rad neu erfinden. 237Np hat man -vorerst- wohl wenigstens noch genug. Leistungsstarke Forschungsreaktoren für die Bestrahlung des 237Np gibt es nur wenige und sie werden auch für andere Anwendungen gebraucht. Die Bestrahlung in Kernkraftwerken ist prinzipiell möglich aber nicht ganz unproblematisch, jedenfalls in normalen Durck- und Siedewasserreaktoren. Zur Zeit wird wohl erwogen Bestrahlungen in kanadischen Kernkraftwerken mit CANDU Reaktoren durchzuführen. Für die Abtrennung des 238Pu vom 237Np braucht man auch neue Laboratorien bzw. muss vorhandene adaptieren, natürlich verbunden mit aufwendigen Genehmigungen.
Daher ist die 238Pu Produktion heute weit teurer und aufwendiger als noch vor ein paar Jahrzehnten und daher sind die Produktionskapazitäten vergleichsweise bescheiden. Will man wesentlich mehr als die angestrebten 1,5kg pro Jahr produzieren wird es noch wesentlich teurer und aufwendiger, auch weil dann irgendwann auch das 237Np knapp wird. 1,5kg/Jahr bedeuten auch kein Ende der Knappheit, man bedenke das Cassini 30kg beispielsweise an Board gehabt hat und bei Raumsonden mit modernen elektrischen Antrieben wäre der Leistungsbedarf und damit der Plutoniumbedarf fallweise noch deutlich höher.
Ich halte es daher fast für unumgänglich mittelfristig den Einsatz von Plutonium-RTGs auf Missionen zu konzentrieren die es unbedingt brauchen, etwa Rover. Ansonsten sollte/muss soweit wie möglich auf Photovoltaik oder auf Kernreaktoren zurückgegriffen werden. Die NASA scheint das erkannt zu haben Europa Clipper hätte man etwa vor ein paar Jahren sicher noch mit RTG umgesetzt, mit "Kilopower" sind auch kleine Kernreaktoren für die Versorgung von Raumsonden in Entwicklung.
Die Russen leiden übrigens unter ähnlichen Problemen. Soweit ich weiß haben sie zwar noch gewisse Produktionskapazitäten erhalten aber auch sie können im Vergleich zu den 1980ern wahrscheinlich nur einen Bruchteil produzieren. Gleichzeitig ist ihr Eigenbedarf vermutlich gestiegen, insgesamt bleibt wohl nicht viel für den Export, die schlechten politischen Beziehungen mit den USA sind für den Plutoniumexport sicher auch nicht förderlich. Insgesamt haben die Russan aber mehr Infrastruktur die sie entsprechend adaptieren könnten sodass die Prodkution relativ leicht, schnell und billig gesteigert werden könnte. Sie haben mehr als genug gut geeignete Reaktoren, eine große Wiederaufbereitungsanlage die fähig ist 237Np abzutrennen und große radiochemische Laboratorien zum Teil in räumlicher Nähe zu den entsprechenden Reaktoren.