So wie du es formuliert hattest, war das aber schon eine Generalabrechnung mit den Naturwissenschaftlern. Ich persönlich habe zwar ein naturwissenschaftliches Fach studiert, die Uni dann aber nach bestandenem Diplom verlassen - direkt angegriffen hattest du mich also damit nicht.
Deine Denkweise verstehe ich aber trotzdem nicht, und ich mag sie auch nicht.
Was soll denn das wieder heißen mit "nicht vor Axiomen niederknien"? Wenn du knien willst, geh in die Kirche. Oder in die Moschee. Das Axiom, dass im Kosmos dieselben Naturgesetze gelten wie auf der Erde, hat uns dessen Erforschung doch überhaupt erst möglich gemacht. Vorher hatte man doch nur die Erklärung, dass alles von Gott erschaffen sei und der Mensch Gottes Werk niemals begreifen können. Es war also ein sinnvolles Axiom und ist es immer noch. Trotzdem würde man es anpassen oder verwerfen, wenn es notwendig werden sollte.
Neue Teilchen mit völlig neuen Eigenschaften würden das nicht notwendigerweise erfordern. Seit man auf dieser Basis arbeitet, hat man all die ganzen bekannten Teilchen doch überhaupt erst entdeckt, und man sucht nach weiteren, wie etwa den WIMPs als Erklärung für die Dunkle Materie. Wenn man dabei auf etwas völlig Neues und Unerwartetes stoßen sollte, würden sich die Physiker auch keine Sorgen machen, sondern in einer Zustand freudiger Erregung verfallen.
Und wenn du uns erinnerst, dass Harald Lesch niemals gesagt habe, unser Wissensstand müsse uns genügen, möchte ich dich daran erinnern, dass ich das mit keinem Wort behauptet habe. Tatsächlich spricht er in seinen Sendungen oft genug davon, dass es spannend bleibt, neues über unser Universum heraus zu finden.
Deiner Aussage mit der Berechenbarkeit und dem Denken kann ich nicht so ohne weiteres zustimmen. Das Universum so zu berechnen, dass wir auf die Ergebnisse kommen, die wir beobachten können, ist wirklich alles, was möglich ist. Freuen tun sich die Wissenschaftler dabei immer, wenn sie etwas hatten errechnen können und es erst danach beobachten. Die Genauigkeit lässt sich natürlich noch steigern. Was meinst du aber genau mit dem Denken, das nicht beschränkt sei? Meinst du vielleicht, das aus verschiedenen Überlegungen, Berechnungen und Beobachtungen heraus Menschen sich vorgestellt haben, dass das Universum mit einem Urknall begonnen hat? Genau das ist ja bekanntlich geschehen, aber das hätte nicht gereicht. Man musste auch nach Belegen suchen, dass diese Idee auch tatsächlich der Wirklichkeit entspricht. Andererseits hat eine gut bestätigte Theorie die mathematisch durchgerechnete Möglichkeit gezeigt, dass es Teilchen geben könnte, die sich niemals langsamer als mit Lichtgeschwindigkeit bewegen. Man kann sich die Tachyonen also nicht nur gedanklich vorstellen, sondern sogar berechnen. Das sagt uns aber immer noch nicht, ob es sie auch wirklich gibt, oder ob die Mathematik da eine Lösung geliefert hat, die in der Realität nicht anwendbar ist.
Oder mal wieder das Beispiel Newton vs. Einstein. Newton hat sich die Gravitation als instantan wirkende Kraft vorgestellt, die mit so einer Art unsichtbaren Gummibändern zwischen Massen übertragen wird. Das funktioniert auch heute noch recht gut. Einstein hat dieses Modell durch reines Denken ersetzt durch eine geometrische Eigenschaft des Raumes, dem durch Massen eine bestimmte Krümmung aufgeprägt wird. Änderungen in der Anordnung dieser Massen pflanzen sich in Form von nur lichtschnellen Gravitationswellen fort. Das funktioniert besser als bei Newton, ist aber schwieriger auszurechnen. Es ist aber keineswegs ausgeschlossen, dass irgendwann jemand mit einer völlig neue Idee daher kommt, die beide Modelle verwirft und dafür noch präzisere Ergebnisse liefert. Ich fürchte allerdings, dass die Berechnung noch einmal erheblich komplizierter werden wird.
Also, Denken ist wichtig in den Naturwissenschaften. Was sich aber nicht berechnen lässt, und sei es numerisch, statistisch oder wahrscheinlichkeitstheoretisch, hat keinerlei Wert, sondern stellt schieren Glauben dar. Und selbst das, was sich berechnen lässt, muss wieder und wieder durch Beobachtung und Experiment überprüft werden. Und das geschieht ja auch. Herausgekommen ist dabei ein Bild der Welt, das ich schon mal ganz gerne als "völlig bekloppt" bezeichne. Aber wie könnten Wissenschaftler mit Fug und Recht behaupten (frei nach US-Autor David Eddings)? "Wir haben dieses Universum nicht erschaffen, wir leben nur darin."