Initiativen gegen die Wegwerf-Raumfahrt

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Initiativen gegen die Wegwerf-Raumfahrt
« am: 15. Januar 2015, 01:28:20 »
Guten Tag,

an der einen oder anderen Stelle im Forum habe ich mal geäußert, dass mir das Kapsel-System in der heutigen Form sehr suspekt ist. Es startet z.B. eine gewaltige Saturn V, und zurück kommt eine kleine Kapsel. Der Rest ist Schrott, verglüht, vergammelt auf dem Mond oder ist wie die Stufe 3 auf irgendwelchen Sonnenorbits eingeschossen.

Teuer und Verschwendung von Ressourcen.

Es hatte ein Konzept gegeben, mit der Saturn bis zu 3 Apollo-Raumschiffe gleichzeitig in den Orbit zu hieven. Hiermit wäre aber Kennedeys "within-ten-years"-Zeitplan nicht zu halten gewesen. Mit dieser Variante aber, so ein NASA-Funktionsträger, "würden wir heute noch zum Mond fliegen".

Leider wäre allerdings auch diese Variante eine Wegwerf-Raumfahrt geblieben - nur der Transport hätte sich verbilligt.

Letztlich braucht es andere Lösungen, hier im Forum schon besprochen über die Wiederverwendbarkeit der Falcon-Familie oder russischer Systeme.

Gerade stieß ich doch auf der Homepage von Space X auf dieses erlösende Statement:

"Landing propulsively is not only convenient, but also enables rapid reusability. As long as we continue to throw away rockets and spacecraft, we will never have true access to space. After landing, Dragon v2 can be refueled and flown multiple times, drastically lowering the cost of space travel."
http://www.spacex.com/news/2014/05/30/dragon-v2-spacexs-next-generation-manned-spacecraft

Das spricht mir aus der Seele! SpaceX setzt konsequent auf Nachhaltigkeit, sowohl bei Rakete als auch dem Raumschiff. *gefällt mir*. Sehr vorbildlich.

Hoffen wir, dass für künftige bemannte Mond- und Marsmissionen dieser Weg weitergegangen werden kann.

Es kann einfach nicht angehen, dass mit jeder Mondlandung und Sondenmission eine Müllhalde mehr entsteht. Man stelle sich vor, wie Mond und Mars in 100 - 200 Jahren aussehen - gespickt mit Landern und Rovern und Sonden.

Schönen Abend wünscht

Uli
Die Wahrheit tut weh. Verdammt weh.

*

Offline Schillrich

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Re: Initiativen gegen die Wegwerf-Raumfahrt
« Antwort #1 am: 15. Januar 2015, 06:44:25 »
Hallo Ulliversum,

"Wiederverwendbarkeit ist besser!" ... hört sich doch glasklar und bestechend überzeugend an, oder? Ein NASA-Ingenieur hat dazu mal gesagt: "sounds like a no-brainer ...".

Das passt für die Raumfahrt an sich, quasi in sich gekapselt. Keiner bezweifelt, dass das technologisch machbar ist. Aber die Raumfahrt steht, wie alles andere menschliche auch, im gesamtgesellschaftlichen Kontext. Und ein ständiger Aspekt dabei ist: In was stecken wir unsere begrenzten Ressourcen? Wiederverwendbarkeit erfordert einen Mehraufwand in der Technologie, bei Entwicklung und Betrieb. Wie steht das in Relation zum Mehrnutzen? Lohnt es sich dann immer noch? Oder hätte man die Ressourcen besser woanders eingesetzt (und damit vielleicht noch mehr für die Nachhaltigkeit/Umwelt/Menschheit rausgeholt)?

Um es mal plakativ zu untermalen:
"Wir könnten Malaria heilen!"
"Sorry, wir haben das Geld schon in eine Rakete gesteckt ..."


Wo ist der Nutzen? Wo ist mehr Nutzen? ... und dann ist es kein "no-brainer" mehr ("... but it isn't"). Dann kommt man in das (volks)wirtschaftliche Dilemma eines Space Shuttles.
« Letzte Änderung: 15. Januar 2015, 13:08:33 von Schillrich »
\\   //    Grüße
 \\ ///    Daniel

"We are following you ... but not on twitter." (Futurama)

Re: Initiativen gegen die Wegwerf-Raumfahrt
« Antwort #2 am: 15. Januar 2015, 14:03:44 »
Oder hätte man die Ressourcen besser woanders eingesetzt (und damit vielleicht noch mehr für die Nachhaltigkeit/Umwelt/Menschheit rausgeholt)?

Um es mal plakativ zu untermalen:
"Wir könnten Malaria heilen!"
"Sorry, wir haben das Geld schon in eine Rakete gesteckt ..."

Hallo Schillrich,
ja, das Dilemma ist ein Debakel!
Immer wird auf der Raumfahrt rumgehackt, aber was im Militär oder Steuerverschwendung als Rauch aufgeht, damit könntest sonstwas finanzieren.
Andererseits, und da bin ich mir sehr sicher, wird/würde das eingesparte Geld sicher nicht in Nachhaltigkeit und soziale Projekte fließen, das wird dann halt woanders auf den Kopf gehauen, solche nachhaltigen Sachen sind ja meist immer am Ende der Finanzierungskette. Der Verschiebebahnhof findet davor statt.

Grüße, Uli
Die Wahrheit tut weh. Verdammt weh.

Offline Majo2096

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Re: Initiativen gegen die Wegwerf-Raumfahrt
« Antwort #3 am: 15. Januar 2015, 15:01:26 »
Wiederverwendbarkeit erfordert einen Mehraufwand in der Technologie, bei Entwicklung und Betrieb. Wie steht das in Relation zum Mehrnutzen? Lohnt es sich dann immer noch? Oder hätte man die Ressourcen besser woanders eingesetzt (und damit vielleicht noch mehr für die Nachhaltigkeit/Umwelt/Menschheit rausgeholt)?

Hallo,
ja der Mehraufwand muss auf das geringstmögliche Maß gesenkt werden. Das heißt die Komplexität darf nicht soweit ansteigen. Deshalb war das Space Shuttle auch "nicht erfolgreich" wenn es um eine Kostensenkung durch Wiederverwendung geht. So ein System wie bei der Falcon 9 zum Beispiel halte ich aber für viel einfacher und deshalb könnte es klappen. Von andere Konzepten, wie die Russischen Booster mit Tragflächen und extra Triebwerke für den Rückflug halte ich nicht soviel weil der Mehraufwand den Nutzen einfach nicht rechtfertigt. Auch gibt es Konzepte wo man die Triebwerks Sektionen absprengt und dann zurückfliegt.

Wenn man Geld sparen will muss man so einfach wie möglich werden und da denke ich im Moment das nur das das Konzept von SpaceX Chancen auf eine erfolgreiche Umsetzung hat, da die anderen Ansätze zu Komplex und zu teuer werden.

Führerschein

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Re: Initiativen gegen die Wegwerf-Raumfahrt
« Antwort #4 am: 15. Januar 2015, 15:15:46 »
Von andere Konzepten, wie die Russischen Booster mit Tragflächen und extra Triebwerke für den Rückflug halte ich nicht soviel weil der Mehraufwand den Nutzen einfach nicht rechtfertigt. Auch gibt es Konzepte wo man die Triebwerks Sektionen absprengt und dann zurückfliegt.

Ich habe auch den Verdacht, daß die SpaceX-Methode mit senkrechter Landung die effizienteste ist. Ohne umfangreiche ingenieurtechnische Analyse würde ich das aber nicht als Tatsache behaupten wollen.

Jura

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Re: Initiativen gegen die Wegwerf-Raumfahrt
« Antwort #5 am: 15. Januar 2015, 17:44:01 »
Zitat
Zitat von: Majo2096 am Heute um 15:01:26
Von andere Konzepten, wie die Russischen Booster mit Tragflächen und extra Triebwerke für den Rückflug halte ich nicht soviel weil der Mehraufwand den Nutzen einfach nicht rechtfertigt. Auch gibt es Konzepte wo man die Triebwerks Sektionen absprengt und dann zurückfliegt

Das ist absolut Falsch und entspricht nicht den Tatsachen, siehe die umfangreichen russischen Analysen als auch deren Kosten. Die Stufe landet auf dem Flugplatz des Kosmodrom, praktisch einige Meter vom Hangar. Es bedarf keine zusätzliche Infrastruktur auf dem Meer und den langen Transport. 

GG

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Re: Initiativen gegen die Wegwerf-Raumfahrt
« Antwort #6 am: 15. Januar 2015, 17:59:05 »
Das soll ja bei der Falcon 9 nur zum Angfang erfolgen. Später soll die Stufe am Startort landen.

Jura

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Re: Initiativen gegen die Wegwerf-Raumfahrt
« Antwort #7 am: 15. Januar 2015, 18:02:29 »
Das soll ja bei der Falcon 9 nur zum Angfang erfolgen. Später soll die Stufe am Startort landen.

Die kann doch aber alleine nicht weit fliegen  ;)

Führerschein

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Re: Initiativen gegen die Wegwerf-Raumfahrt
« Antwort #8 am: 15. Januar 2015, 18:24:33 »
Das soll ja bei der Falcon 9 nur zum Angfang erfolgen. Später soll die Stufe am Startort landen.

Die kann doch aber alleine nicht weit fliegen  ;)

Doch kann sie. Laut SpaceX kann die Erststufe bei einer Nutzlast bis ca. 13t in den LEO nach Stufentrennung zum Startplatz zurückfliegen. Bei höherer Nutzlast kann sie dann nur noch auf einer Plattform im Meer landen. 13t ist viel mehr als z.B. für Dragon gebraucht wird. Die entsprechenden Werte für GTO-Nutzlasten habe ich gerade nicht im Kopf. Da wird es bei schweren Com-Sats aber eng.

Was fehlt, ist die Genehmigung. Deshalb die ersten Landungen auf der Plattform.

Jura

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Re: Initiativen gegen die Wegwerf-Raumfahrt
« Antwort #9 am: 15. Januar 2015, 18:39:34 »
Die russischen VRB (25 bis 35 Tonnen Nutzlast) sind nach der Trennung so weit vom Kosmodrom entfent, das die kinetische Energie nicht ausreichend für eine Landung wie Buran ist. Deshalb auch die Luftstrahltriebwerke für die Landung. Diese Variante ist auch für Trägerraketen bis etwa 200 Tonnen Nutzlast möglich.

In der zweiten Etappe wird auch die zweite Stufe auf dem Kosmodrom landen, entsprechende Analysen und Projekte wurde schon vor Jahren gemacht. Das ist aber noch ein langer Weg.



 

Jura

  • Gast
Re: Initiativen gegen die Wegwerf-Raumfahrt
« Antwort #10 am: 15. Januar 2015, 18:58:14 »
Der VRB wird eine Strecke von etwa 500 km zurückfliegen. Die Landemasse der Kerosin Variante ist um 1 Tonne leichter und verwendet 360 Tonnen Treibstoff. Mit Methan brauchen wir aber nur 330 Tonnen. Angaben von Chrunischew zur einer möglichen Variante.

Offline proton01

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Re: Initiativen gegen die Wegwerf-Raumfahrt
« Antwort #11 am: 15. Januar 2015, 23:11:12 »
Das ist absolut Falsch und entspricht nicht den Tatsachen, siehe die umfangreichen russischen Analysen als auch deren Kosten. Die Stufe landet auf dem Flugplatz des Kosmodrom, praktisch einige Meter vom Hangar. Es bedarf keine zusätzliche Infrastruktur auf dem Meer und den langen Transport.

Wenn das alles so einfach und kostengünstig wäre wie hier beschrieben, dann hätten wir das russische Baikal Konzept einer Stufe mit drehbarem Flügel und lufatrmenden Triebwerken längst im Einsatz gesehen, und nicht nur als Model vor vielen Jahren (2001) in Le Bourget.  Entweder ist es technisch doch nicht so einfach, oder die Kostenrechnung überzeugt nicht, oder beides.

Jura

  • Gast
Re: Initiativen gegen die Wegwerf-Raumfahrt
« Antwort #12 am: 15. Januar 2015, 23:51:47 »
Das ist absolut Falsch und entspricht nicht den Tatsachen, siehe die umfangreichen russischen Analysen als auch deren Kosten. Die Stufe landet auf dem Flugplatz des Kosmodrom, praktisch einige Meter vom Hangar. Es bedarf keine zusätzliche Infrastruktur auf dem Meer und den langen Transport.

Wenn das alles so einfach und kostengünstig wäre wie hier beschrieben, dann hätten wir das russische Baikal Konzept einer Stufe mit drehbarem Flügel und lufatrmenden Triebwerken längst im Einsatz gesehen, und nicht nur als Model vor vielen Jahren (2001) in Le Bourget.  Entweder ist es technisch doch nicht so einfach, oder die Kostenrechnung überzeugt nicht, oder beides.

Das ist nicht korrekt, die Zeit war nicht Reif und Gelder waren auch nicht da und von einfach war nicht die Rede. Die ganze Arbeit ist sehr Komplex, habe ausführlich geschrieben über die einzelne Schritte der Vorberetung der VRB, darunter die Flüge  von zwei unterschiedlichen Flugzeuglaboratorien für die Erarbeitung sämtlicher Landealgorithmen in allen Flugphasen ab der Abtrennung von der Zentralstufe. Erst danach können die VRB bis 100 Flüge unternehmen. Dazu gibt es keine Alternativen um deutlich Kosten zu sparen.

Das Model von 2001, noch von der Energija abgeleitet, können wir mit dem heutigen absolut nicht vergleichen. Siehe dazu auch die umfangreichen Analysen und Berechnungen.
 

Offline proton01

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  • 1951
Re: Initiativen gegen die Wegwerf-Raumfahrt
« Antwort #13 am: 16. Januar 2015, 00:01:09 »
Wenn das alles so einfach und kostengünstig wäre wie hier beschrieben, dann hätten wir das russische Baikal Konzept einer Stufe mit drehbarem Flügel und lufatrmenden Triebwerken längst im Einsatz gesehen, und nicht nur als Model vor vielen Jahren (2001) in Le Bourget.  Entweder ist es technisch doch nicht so einfach, oder die Kostenrechnung überzeugt nicht, oder beides.

..., darunter die Flüge  von zwei unterschiedlichen Flugzeuglaboratorien für die Erarbeitung sämtlicher Landealgorithmen in allen Flugphasen ab der Abtrennung von der Zentralstufe. Erst danach können die VRB bis 100 Flüge unternehmen. Dazu gibt es keine Alternativen um deutlich Kosten zu sparen.

Das Model von 2001, noch von der Energija abgeleitet, können wir mit dem heutigen absolut nicht vergleichen. Siehe dazu auch die umfangreichen Analysen und Berechnungen.
 

Bis dahin daß solche Geräte 100 Flüge machen ist es noch ein weiter Weg. Und  daß dies dann auch noch billiger ist ist heute eine möglicherweise sehr optimistische Erwartung, gezeigt hat es bisher keiner außer dem Space Shuttle (im Prinzip, nicht 100 Wiederverwendungen), und der war nicht billiger als Wegwerfraketen.

Außere dem Model von 2001 kenne ich kein weiteres moderneres Model. Daß sind alles nur Papierflieger mit vielen Studien usw. Daß es technisch geht daran zweifel ich nicht. Ob es wirtschaftlich sinnvoll ist, daß weiß heute mit Gewissheit keiner.

Re: Initiativen gegen die Wegwerf-Raumfahrt
« Antwort #14 am: 16. Januar 2015, 08:23:47 »

Wenn man Geld sparen will muss man so einfach wie möglich werden und da denke ich im Moment das nur das das Konzept von SpaceX Chancen auf eine erfolgreiche Umsetzung hat, da die anderen Ansätze zu Komplex und zu teuer werden.
... dabei war es ja gerade ein russischer Raumfahrtpionier (Koroljow), der das Thema Einfachheit predigte: „Je einfacher eine Konstruktion ist, desto genialer ist sie. Kompliziert bauen kann jeder.“
Die Wahrheit tut weh. Verdammt weh.

Jura

  • Gast
Re: Initiativen gegen die Wegwerf-Raumfahrt
« Antwort #15 am: 16. Januar 2015, 08:50:23 »
@ proton01

Der Vergleich mit bemannten Systemen ist hier nicht gegeben.

Zu MRKN siehe die Roskosmos Ausschreibung mit technischen Details, weiter zu Triebwerk 2015 und die ZAGI Analysen der VRB Modele mit Canard-Flügel als auch die umfangreiche technische Veränderungen. Studien wurden schon vor Jahren gemacht und die alten Konzepte niedergeschmettert.

Als absolut notwendig erwies sich Methan als auch 4 Triebwerke pro VRB (Booster), selbst Analysen mit RD-180 und anderen Triebwerken konnten den angepeilten Herausforderungen nicht standhalten. In einer Fachzeitschrift (habe die zu Hause) wurden die Analysen mit unterschiedlichen Konfigurationen und Studien auch mit unterschiedlichen Treibstoffen darunter mit Methan in der Zentralstufe veröffentlicht.

Schon bei 25 Starts mit Nutzlasten zwischen 25 und 35 Tonnen (auch GEO) brauchen wir für Angara-5/7 135, für MRKN nur 25 Triebwerke, somit haben wir nur bei den Triebwerken einen Gewinn über 20 Milliarden Rubel pro Jahr. Wie schon gepostet, zu Wiederverwendung gibt es keine Alternative.

Ja, und die Modele der VRB waren auf der MAKS zu sehen, Bild unten.

« Letzte Änderung: 16. Januar 2015, 15:10:07 von Jura »