Künstliche Himmelsmechanik

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svante

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Künstliche Himmelsmechanik
« am: 03. Januar 2023, 11:59:15 »
...Wahrscheinlich kann man sich einfacher mit dem ganzen Sonnensystem auf Reisen begeben. Einen Reflektionsschirm so in Erdabstand um die Sonne angebracht... Einzig die Befestigung an der Sonne ist nicht ganz trivial.
   Dazu gibt es schon Vorschläge; siehe   https://forum.raumfahrer.net/index.php?topic=17479.0
Bussard ramjet : 50 Lichtjahre Verlagerung pro Million Jahre ...

Re: Künstliche Himmelsmechanik
« Antwort #1 am: 03. Januar 2023, 15:53:46 »
...Wahrscheinlich kann man sich einfacher mit dem ganzen Sonnensystem auf Reisen begeben. Einen Reflektionsschirm so in Erdabstand um die Sonne angebracht... Einzig die Befestigung an der Sonne ist nicht ganz trivial.
   Dazu gibt es schon Vorschläge; siehe   https://forum.raumfahrer.net/index.php?topic=17479.0
Bussard ramjet : 50 Lichtjahre Verlagerung pro Million Jahre ...
Ein Bussard Ramjet ist eigentlich was anderes, auch wenn der Gedanke ein ähnlicher ist:
https://de.wikipedia.org/wiki/Bussardkollektor

Zum "Verschieben" des Sonnensystems, wie es da oben vorgeschlagen wird, soll ein Teilchenstrom auf die Sonne drücken und diese verschieben.

Wenn man keine Planeten mehr braucht, dann kann man das natürlich so versuchen. Die würden nämlich einfach zurückbleiben. Mal abgesehen davon, daß die Sonne aus Gas/Plasma besteht und kein Festkörper ist.

Das komplette Sonnensystem in eine andere Richtung zu treiben geht nur mittels Gravitation.

svante

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Re: Künstliche Himmelsmechanik
« Antwort #2 am: 03. Januar 2023, 16:41:43 »
Wenn man keine Planeten mehr braucht, dann kann man das natürlich so versuchen. Die würden nämlich einfach zurückbleiben.
Das sehe ich nicht so: die Sonne bewegt sich schliesslich mit 267 km/s um das galaktische Zentrum und nimmt dabei ihr komplettes Planetensystem mit, das gravitativ an sie gebunden ist. Wenn ich diese Bewegung jetzt geringfügig ändere, indem ich über längere Zeiträume Impuls bzw Energie auf die Sonne übertrage, werden die gebundenen Planeten der Bahnänderung mitfolgen.
Die Bahnänderung wäre relativ klein: die 50 Lichtjahre Bahnänderung über 1 Mio Jahre entsprächen zB nur 1,8 Promille des Abstands zum galaktischen Zentrum (28.000 LJ)

Re: Künstliche Himmelsmechanik
« Antwort #3 am: 03. Januar 2023, 17:24:11 »
Wenn man keine Planeten mehr braucht, dann kann man das natürlich so versuchen. Die würden nämlich einfach zurückbleiben.
Das sehe ich nicht so: die Sonne bewegt sich schliesslich mit 267 km/s um das galaktische Zentrum und nimmt dabei ihr komplettes Planetensystem mit, das gravitativ an sie gebunden ist.
Das Planeten sind nicht nur gravitativ an die Sonne gebunden, sondern genauso ans galaktische Zentrum wie die Sonne selbst. Diese Bindung ist übrigens noch stärker als die an die Sonne, vergleiche die kosmischen Geschwindigkeiten. Daher fliegen sie auch brav zusammen mit der Sonne mit der selben Geschwindigkeit ums Milchstrassen-Zentrum herum. Ändert man jetzt nur die Geschwindigkeit der Sonne, nicht aber die der Planeten, dann würden sich diese nach einer kurzen chaotischen Phase von immer elliptischeren Orbits von der Sonne trennen.

Die Bahnänderung wäre relativ klein: die 50 Lichtjahre Bahnänderung über 1 Mio Jahre entsprächen zB nur 1,8 Promille des Abstands zum galaktischen Zentrum (28.000 LJ)
Ja, nur 1,8 Promille auf dieser Größenskala, die Planeten sind dann trotzdem weg. Es gibt da keinen, der mal eben ein Auge zudrückt und sagt, "komm passt schon, ihr bleibt jetzt einfach bei der Sonne, sind ja nur 1,8 Promille".

Re: Künstliche Himmelsmechanik
« Antwort #4 am: 03. Januar 2023, 18:04:58 »
Das Planeten sind nicht nur gravitativ an die Sonne gebunden, sondern genauso ans galaktische Zentrum wie die Sonne selbst. Diese Bindung ist übrigens noch stärker als die an die Sonne, vergleiche die kosmischen Geschwindigkeiten.
Hallo, ich lese schon länger sehr interessiert mit, habe mich jetzt angemeldet. Also nette Grüße erstmal.
Möglicherweise sitze ich hier einem Denkfehler auf, dann wäre es nett wenn man es mir erklärt.
Mit der Erklärung wäre dann der Effekt der Sonne auf die Gezeiten der Erde größer als die vom Mond, dem ist aber nicht so. Ist hier nicht der große Abstand maßgeblich, wo der Potentialtopf des Gravitationsfeldes schon sehr flach ist, so dass dann die Sonne ihre Planeten noch mitzieht, wenngleich auf leicht geänderten Bahnen. Gibt es hier vielleicht Simulationen?
Der Horizont vieler Menschen ist ein Kreis mit Radius null - und das nennen sie ihren Standpunkt. (David Hilbert - nicht, wie oft behauptet, Albert Einstein)

svante

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Re: Künstliche Himmelsmechanik
« Antwort #5 am: 03. Januar 2023, 19:34:07 »
@prodatron / @thunder5 :

(vielleicht sollten wir die Himmelsmechanik woanders diskutieren (OT) - Philipp wird schon ganz nervös)
für die fragliche Situation (Trabanten eines Himmelskörpers, der ein Gravitationszentrum umkreist) nützlich ist die Größe der Hillsphäre des Himmelskörpers; diese gibt die Zone an, in der die Anziehungskraft des Himmelskörpers die des Gravitationszentrums dominiert - diese kann man dann als Störung  behandeln, wenn man es ganz genau rechnen will. Diese Betrachtung kann man zB auf die Monde eines Planeten im Sonnensystem anwenden, wobei die Sonne das Gravitationszentrum darstellt, oder auch auf die Planeten der Sonne, wobei der Schwerpunkt der Galaxis das Gravitationszentrum darstellt. Innerhalb der Hillsphäre kann ich demnach die Monde um den Planeten bzw die Planeten um die Sonne als Keplerproblem beschreiben mit den entsprechenden gebundenen Bahnen als Ergebnis (mit Störungen)
(Ich kann natürlich auch diese Bahnen rechnerisch per Transformation des Bezugssystems auf das Gravitationszentrum beziehen, was die Darstellung verkompliziert, aber die Physik nicht ändert). Ich habe mal überschlagsmässig den Radius der Hillsphäre der Sonne bezüglich des Gravitationszentrums der Galaxis berechnet; darin geht u.a. die dritte Wurzel der Gesamtmasse der Galaxis ein, bei der auch der Halo der (hypothetischen) Dunklen Materie eine Rolle spielt. Mit den Werten aus der Wikipedia komme ich auf einen Hill-Radius von ca 110 AU - innerhalb dieses Abstands dominiert die Gravitation der Sonne also über die der Galaxis.

Re: Künstliche Himmelsmechanik
« Antwort #6 am: 03. Januar 2023, 19:45:16 »
Das Planeten sind nicht nur gravitativ an die Sonne gebunden, sondern genauso ans galaktische Zentrum wie die Sonne selbst. Diese Bindung ist übrigens noch stärker als die an die Sonne, vergleiche die kosmischen Geschwindigkeiten.
Mit der Erklärung wäre dann der Effekt der Sonne auf die Gezeiten der Erde größer als die vom Mond, dem ist aber nicht so. Ist hier nicht der große Abstand maßgeblich, wo der Potentialtopf des Gravitationsfeldes schon sehr flach ist, so dass dann die Sonne ihre Planeten noch mitzieht, wenngleich auf leicht geänderten Bahnen.
Der Gezeiteneffekt resultiert aus der nachlassenden Kraft der Gravitation im Verhältnis zum Abstand.
Es geht also weniger darum wie Flach der Potentialtopf an der jeweiligen Stelle ist, sondern, wie stark sich die "Wand" des Topfes sich hier noch ändert (von steil zu flach). Die Sonne ist viel weiter weg als der Mond, so daß der Unterschied auf Vor- und Rückseite der Erde zur Sonne hin geringer ist, als der zum Mond hin. Beim Zentrum der Milchstrasse ist das noch viel heftiger, auch wenn uns das nochmal viel stärker anzieht, als es die Sonne tut.

Re: Künstliche Himmelsmechanik
« Antwort #7 am: 03. Januar 2023, 19:57:07 »
Kann jemand einen Vorschlag machen, wo das vorschoben und fortgeführt werden soll?
Ab hier:
https://forum.raumfahrer.net/index.php?topic=19702.msg542776#msg542776


nützlich ist die Größe der Hillsphäre des Himmelskörpers; diese gibt die Zone an, in der die Anziehungskraft des Himmelskörpers die des Gravitationszentrums dominiert [...]
Da ist alles völlig richtig.

Aber wie ich sagte, wenn man das komplette Sonnensystem "verschieben" will, muß das über eine äußere große Gravitationsquelle geschehen. Innerhalb des Sonnensystems merkt man davon dann nichts, weil man scheinbar nur im eigenen Bezugssystem sitzt, und da ist die Sonne dominierend usw.

Wenn man jetzt nur die Sonne alleine durch einen Art Rückstoss mittels Teilchenstrom verschiebt, wie von Dir oben verlinkt, dann merken die Planeten von der Verschiebung soviel, daß sich das gravitative Zentrum plötzlich relativ innerhalb des Bezugssystems bewegt. Es ist nicht so daß die Planeten einfach mitverschoben werden. Denn auf sie wirkt die Rückstosskraft ja nicht. Die Sonne macht aber auch nicht plötzlich irgendwelche gravitativen Korrekturen, um die Planeten "mitzunehmen". Daher würden diese verloren gehen.

Re: Künstliche Himmelsmechanik
« Antwort #8 am: 03. Januar 2023, 20:52:05 »
Die Wirkung nach einer "gravitativen" Veränderung bereitet sich mit Lichtgeschwindigkeit aus.  P-I

Re: Künstliche Himmelsmechanik
« Antwort #9 am: 04. Januar 2023, 14:49:46 »
@prodatron: wenn ich hypothetisch im Sonnensystem die Sonne verschiebe, verschiebe ich damit auch die Lage/Position des Gravitationspotentialtrichters der Sonne; das teilt sich unmittelbar den Planeten mit, denn deren (gebundene) Bahnen werden von den "Wänden" des Potentialtrichters begrenzt.
Die "Wände" sind aber kein geschlossener Behälter, die einen mitdrücken, wenn sich das dominierende Zentralobjekt unabhängig vom Bezugssystem wegbewegt.

Vielleicht ist das hier besser vorstellbar:
- Dein sehr dickes Raumschiff hat irgendwo im Nirgendwo einen Defekt und Du steigst aus und reparierst es mit Deinem Schraubenschlüssel
- dabei verlierst Du den Schraubenschlüssel am Ende, und er kreist jetzt wie ein kleiner Mond um Dein Raumschiff herum (Lem-Leser werden sich erinnern...)
- das Raumschiff ist jetzt wieder einsatzbereit, und Du gibst Schub
- der Schraubenschlüssel wird Dir NICHT als Mond folgen!

Genauso wäre es beim Sonnensystem, wenn man nur die Sonne alleine irgendwie beschleunigen würde.

Warum brauche ich dann noch ein übergeordnetes Gravitationsfeld, um diese Wechselwirkung zu vermitteln (so habe ich Deine Argumentation verstanden) ?
Sorry, da hattest Du mich falsch verstanden. Du hattest geschrieben, daß ja trotz der Bewegung um das Milchstassenzentrums die Planeten trotzdem fest/stabil bei der Sonne bleiben. So nach dem Motto, obwohl da ja auch noch das Milchstrassenzentrum ist, gehorchen die Planeten lieber nur der Sonne. Ich hatte dann darauf nur erwidert, daß auch die Planeten selbst die Gravitation des Zentrums erfahren, und daher bei dieser Bewegung um das Zentrum mitmachen. Sie sind in dem Falle zwei Bezugssystemen ausgesetzt.

Wenn ich so viel kinetische Energie zuführe, dass ich die Planeten aus dem Trichter heraushebe, können sich die "Planeten" von der Sonne entfernen - das sind dann keine gebundenen Bahnen mehr. Wer oder was stellt diese Energie zur Verfügung ?
Genau andersrum: Der von Dir verlinkte "Sonnensystemantrieb" führt die Beschleunigungsenergie ja nur der Sonne zu, jedoch keinem Planeten. Daher andersrum gefragt: Wer stellt denn jetzt die Energie zur Verfügung, damit auch die Planeten mitbeschleunigt werden? Genau, nämlich niemand. Daher bleiben sie zurück.

Re: Künstliche Himmelsmechanik
« Antwort #10 am: 04. Januar 2023, 15:22:32 »
Ähnliches kommt übrigens auch in der Natur vor:

- ein kleinerer Stern umkreist in einem Mehrfachsternsystem ein Sternenpaar, das gravitativ dominiert
- einer der beiden inneren Sterne wird zur Supernova
- dessen Partner wird dadurch zu einem Schnellläufer, haut also einfach ab
- der kleinere äußere Stern wird diesem NICHT folgen, sondern bleibt zurück (und ändert auch selbst ein wenig die Richtung)

Re: Künstliche Himmelsmechanik
« Antwort #11 am: 04. Januar 2023, 16:10:00 »
Danke Podatron,
ich glaube jetzt habe ich es verstanden. Es gibt ja keine Impulsübertragung an die Planeten, nur die gravitative Bindung. Daher ändern sich zwar deren Bahnen, aber langfristig driften sie aus dem System.
Ist das dasselbe wie bei der Kollision von Galaxien? Wo die interstellare Materie zerstreut wird. Und werden bei solchen Kollisionen viele Sterne dann ihrer Planeten ledig? Oder sind die so nahe am Stern, dass sie von dem Desaster gar nichts mitbekommen?
Der Horizont vieler Menschen ist ein Kreis mit Radius null - und das nennen sie ihren Standpunkt. (David Hilbert - nicht, wie oft behauptet, Albert Einstein)

Re: Künstliche Himmelsmechanik
« Antwort #12 am: 04. Januar 2023, 16:47:28 »
Es gibt ja keine Impulsübertragung an die Planeten, nur die gravitative Bindung. Daher ändern sich zwar deren Bahnen, aber langfristig driften sie aus dem System.
Korrekt!

Ist das dasselbe wie bei der Kollision von Galaxien? Wo die interstellare Materie zerstreut wird.
Das interstellare Material wird bei der Kollision von Galaxien ja hauptsächlich durch die Durchdringung neu verklumpt, wodurch es jede Menge neue Sterngeburten gibt. Das führt dann bei ähnlich großen Galaxien dazu, das das Material zu einem großen Teil in Sterne umgewandelt wird und zu einem anderen großen Teil in den intergalaktischen Raum rausgeblasen wird, und die neu entstandene elliptische Galaxie fast kein interestellares Material mehr hat. Aber das ist ein ganz anderes Thema. :)

Und werden bei solchen Kollisionen viele Sterne dann ihrer Planeten ledig? Oder sind die so nahe am Stern, dass sie von dem Desaster gar nichts mitbekommen?
So ziemlich alle Sterne bekommen von der Kollision zweier Galaxien nichts mit, da die Räume zwischen den Sternen innerhalb einer Galaxie so groß sind, daß sich die Sterne problemlos durchdringen und nicht kollidieren. Sie geraten in der Mehrzahl nicht so nah aneinander, daß die Planetenbahnen gestört werden. Solange eine äußere Gravitationsquelle (der andere Stern in diesem Falle) so weit weg ist, daß die Kraft überall im Sonnensystem annähernd gleich spürbar ist, wird innerhalb diesem nichts durcheinander gebracht.

Chaos durch eine externe Gravitionsquelle entsteht dann, wenn seine Schwerkraft sich spürbar mehr auf z.B. einen Planeten auswirkt als auf die Sonne im Zentrum. Dann manipuliert sie dessen Bahn, verändert sie oder wirft ihn sogar heraus. Bei den Planeten müßte sie aber schon verdammt nah rankommen, was quasi ausgeschlossen ist. Was eher mal passiert, ist, daß sich ein anderer Stern unserer oortschen Wolke nähert, denn die reicht bis zu 1,5 Lichtjahre raus. Hier wird er dann durchaus ein paar Kometen ins innere Sonnensystem schicken, was schon mehrfach passiert sein sollte.