Machbarkeit und Sinn von Scramjet-Antrieben an Raketenstufen

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Offline BadCop

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Hallo Ihr,

nachdem ich letzte Nacht wieder schlecht einschlafen konnte, kommen einem manchmal ja schon verrückte Ideen.
Eine Frage die mich bewegte war, ob es sinnvoll und machbar wäre, an der ersten Stufe bzw. den Boostern der Falcon-Raketen an den Landeauslegern Scramjets zu integrieren?
Ob diese Scramjets bezüglich zusätzlichem Gewicht und zusätzlichem Antrieb sinnvoll wären, kann ich nicht wirklich beurteilen. Die zum "Starten" der Scramjets notwendige Geschwindigkeit dürften die Raketen locker erreichen. Ob die Scramjets bis zur Abwurfhöhe der ersten Stufen überhaupt noch sinnvoll arbeiten, kann ich auch nicht beurteilen.

Vielleicht hat einer von euch die Muse, mir diese Ideen auszureden  :)

GG

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Re: Machbarkeit und Sinn von Scramjet-Antrieben an Raketenstufen
« Antwort #1 am: 22. März 2015, 15:55:43 »
Die Muße, nicht die Muse.

Rückkehr der Hilfsraketen mittels luftatmenden Triebwerken steht bei den Russen auf dem Plan. Musk findet es so einfacher. Wenn es gut funktioniert und die Stufe nicht dauernd bei der Landung umkippt, dann stimme ich zu.

Jura

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Re: Machbarkeit und Sinn von Scramjet-Antrieben an Raketenstufen
« Antwort #2 am: 22. März 2015, 18:16:28 »
1) Beim Start einer Trägerrakete ist in den 35-45 Sekunden ein hoher Schub entscheidend, danach erfolgt schon die Reduzierung der Leistung, ist auch vom Träger abhänig (bei Energija wurden ab 35 Sekunden die Triebwerke runtergefahren).

2) Bei Falcon auf Grund des Flugprofils, die erste Stufe wird schon bei 1900 m/s getrennt, haben solche Antriebe keinen Sinn selbst für die Landung.

3) Bei der russischen Trägerrakete die einen ganz anderen Flugprofil hat, sind kleine luftatmende Triebwerke notwendig damit die Stufen mit dem restlichen Treibstoff auf dem Kosmodrom wie ein Flugzeug landen.

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Offline Schillrich

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Re: Machbarkeit und Sinn von Scramjet-Antrieben an Raketenstufen
« Antwort #3 am: 23. März 2015, 07:09:09 »
Hallo GG,

ich verstehe BadCop so, dass es ihm um den Start geht ("bis zur Abwurfhöhe der ersten Stufe"), nicht um die Landung. Die "Landeausleger" sollen nur der Montageort für Scramjets sein.


Ich denke das nicht sinnvoll. Jura hat ja schon gesagt, dass hoher (bzw. zusätzlicher) Schub nur in der ersten Flugphase notwendig ist. Scramjets arbeiten bei hohen Geschwindigkeiten in großer Höhe. "Hier unten" kann man sie nicht zünden, bzw. falls solche Strömungsgeschwindigkeiten in der dichten Atmosphäre auftreten, schmilzt/zerlegt die Thermodynamik das Fluggerät.

Also wenn, dann zündet ein Scramjet weiter oben, nicht an der Erststufe. Die Idee ist dann: Scramjet in der zweiten Stufe, um dort effizient zu beschleunigen. Eine Booststufe hebt das Vehikel auf Höhe und bringt es auf Zündgeschwindigkeit. Nach dem Abwurf der Booststufe zündet der Scramjet und fliegt in der Hochatmosphäre horizontal, um Geschwindigkeit aufzubauen und am Ende damit ballistisch aus der Atmosphäre zu steigen.

Es gibt auch solche Flugkonzepte, u.a. für Testvehikel: die Booststufe steigt senkrecht weit auf und setzt das Scramjet-Vehikel oberhalb der Atmosphäre auf einer ballistischen Kurve aus. "Von oben" kommend taucht der Scramjet dann in die Hochatmosphäre ein, zündet und beginnt horizontal zu fliegen.

Da kommen wir dann auch schnell zum Konzept des Waveriders/Wellenreiters ... Eugen Sänger lässt grüßen.



Falls es doch um die Landung geht: Alles für den Rückflug soll bei der Falcon ja grundsätzlich oberhalb der Atmosphäre passieren, also das "boost-back"-Manöver. Wenn damit die Trajektorie zum Ziel angesteuert ist, braucht man bis zum Ziel praktisch keinen weiteren Antrieb mehr. Dann ist ja auch das Ziel möglichst "langsam" durch die Atmosphäre zu kommen, also mit wenig thermischer Belastung für die Struktur. Der Betrieb eines Scramjets spricht dann gerade gegen "langsamer werden". Die für den Scramjet notwendige Strömungsgeschwindigkeit wäre thermodynamisch nicht einfach zu verkraften für die Struktur.
\\   //    Grüße
 \\ ///    Daniel

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Jura

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Re: Machbarkeit und Sinn von Scramjet-Antrieben an Raketenstufen
« Antwort #4 am: 23. März 2015, 08:30:21 »
Zitat
Schillrich
Also wenn, dann zündet ein Scramjet weiter oben, nicht an der Erststufe. Die Idee ist dann: Scramjet in der zweiten Stufe, um dort effizient zu beschleunigen

Kleiner Einwand.
Bei den meisten Trägerraketen erfolgt die Trennung der ersten Stufe über Mach 4-7, die zweite Stufe arbeitet also da wo ein Scramjet schon versagt. Die zweite Stufe muss die Nutzlast in die Umlaufbahn bringen, im Weltraum versagen die Triebwerke gänzlich. Eine Trägerrakete hat auch einen ganz anderen Flugprofil (Aufgabe) als ein Flugzeug mit waagerechten Flug und geringen Schub. Oder habe ich was übersehen?

tobi

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Re: Machbarkeit und Sinn von Scramjet-Antrieben an Raketenstufen
« Antwort #5 am: 23. März 2015, 09:10:46 »
Scramjets zünden erst ab Mach 4. Scramjets funktionieren nur in der Atmosphäre. Scramjets liefern nur wenig Schub im Vergleich zu einem Raketentriebwerk. Bei der Falcon 9 erfolgt nach 3:30 die Nutzlastseparation = Vakuum = Scramjet nutzlos.

Fazit: Scramjets bringen keinen Nutzen.

In Deutschland gibt es durchaus beachtliche Scramjetforschung (SFB z. B.). Die Raumfahrtbegründung scheint mir da etwas scheinheilig. Es geht da schon eher um militärische Interessen, vielleicht noch Passagierflug. Die Forschung ist derzeit auch rein grundlagenorientiert. Es gibt keine Anwendungsperspektive für die nächsten 10 Jahre.

hesaenger

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Re: Machbarkeit und Sinn von Scramjet-Antrieben an Raketenstufen
« Antwort #6 am: 30. März 2015, 07:29:09 »
Naja, es geht vielleicht noch etwas differenzierter. Erst einmal ist Ramjet und Sramjet ein großer Unterschied. Die quasi Überschallverbrennung eines Scramjets, eine echte Überschallverbrennung gibt es nicht, funktioniert erst in höheren Geschwindigkeitsbereichen, abhängig von der Architektur des Triebwerks und dem Treibstoff. Die entsprechenden Funktionskurven gehen noch auf von Karman zurück. Prinzipiell ließen sich also auch vertikal startende Raketen mit Ramjet-Boostern ausrüsten.
Richtig Sinnvoll werden luftatmende Ram- oder Scramjetantriebe aber erst für Hyperschall- oder wenigstens sehr schnelle Flugzeuge, erst mal egal ob als Raumfahrt-Unterstufe oder strategisches Fluggerät. Ob des Luftwiderstands des Geräts oder der Luft überhaupt, ist der optimale Flugbereich jedenfalls zwischen 10- und 40 km Höhe. Dort werden Ram- und Scramantriebe im militärischen Bereich seit vielen Jahren genutzt. In der Raumfahrt stellt sich ob der höheren Entwicklungskosten die Frage der Wirtschaftlichkeit. Diese scheint bei den heute pro Raumfahrtnation üblichen Startraten nicht erreicht werden zu können. Ein erster Schritt kann die bei Burt Rutan konzipierte unterschallschnelle Unterstufe werden. Wie geht es weiter? Bei Apollo einst wurde der Saturn 5 Verlustträger zu teuer und wurde nicht weiter verfolgt. Kann das der technologisch ähnliche Ansatz mit SLS besser? Oder stecken wir nach wenigen Flügen dann wieder an gleicher Stelle fest? Kommt dann wieder die Diskussion ob voll wiederverwendbarem horizontal startendem Gerät? Jedenfalls scheint auch Elon Musk in einem tweet unlängst darüber nachzudenken.

Führerschein

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Re: Machbarkeit und Sinn von Scramjet-Antrieben an Raketenstufen
« Antwort #7 am: 30. März 2015, 08:29:18 »
Kommt dann wieder die Diskussion ob voll wiederverwendbarem horizontal startendem Gerät? Jedenfalls scheint auch Elon Musk in einem tweet unlängst darüber nachzudenken.

Dafür hätte ich gerne ein Link. Aber vielleicht im SpaceX Diskussionsthread. Eigentlich schließe ich das aus. Elon Musk ist fundamental gegen horizontal.

hesaenger

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Re: Machbarkeit und Sinn von Scramjet-Antrieben an Raketenstufen
« Antwort #8 am: 30. März 2015, 09:47:33 »

Dafür hätte ich gerne ein Link. Aber vielleicht im SpaceX Diskussionsthread. Eigentlich schließe ich das aus. Elon Musk ist fundamental gegen horizontal.

https://twitter.com/elonmusk/status/565637505811488768

Führerschein

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Re: Machbarkeit und Sinn von Scramjet-Antrieben an Raketenstufen
« Antwort #9 am: 30. März 2015, 10:02:42 »

Dafür hätte ich gerne ein Link. Aber vielleicht im SpaceX Diskussionsthread. Eigentlich schließe ich das aus. Elon Musk ist fundamental gegen horizontal.

https://twitter.com/elonmusk/status/565637505811488768

Antwort hier:

https://forum.raumfahrer.net/index.php?topic=10338.msg325350#msg325350

hesaenger

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Re: Machbarkeit und Sinn von Scramjet-Antrieben an Raketenstufen
« Antwort #10 am: 30. März 2015, 10:07:36 »
"Daniel Lockyer ‏@DanielLockyer  · 11. Feb. 
@elonmusk Build it into a flying aircraft carrier like in the Avengers

Elon Musk ‏@elonmusk  · 11. Feb. 
@DanielLockyer We could actually do that...maybe we should


darum ging es.

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Online Nitro

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Re: Machbarkeit und Sinn von Scramjet-Antrieben an Raketenstufen
« Antwort #11 am: 30. März 2015, 10:12:58 »
"Daniel Lockyer ‏@DanielLockyer  · 11. Feb. 
@elonmusk Build it into a flying aircraft carrier like in the Avengers

Elon Musk ‏@elonmusk  · 11. Feb. 
@DanielLockyer We could actually do that...maybe we should


darum ging es.

Das ist ein Witz und bezieht sich auf die Landeplattform, die dort in einen fliegende Landeplattform ungebaut werden soll.  ;)
Bevor man einen Beitrag letztendlich abschickt sollte man ihn sich noch ein letztes Mal durchlesen und sich dabei überlegen ob man ihn genau in diesem Wortlaut auch Abends seinem Partner und/oder Kindern ohne Bedenken vorlesen würde.

hesaenger

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Re: Machbarkeit und Sinn von Scramjet-Antrieben an Raketenstufen
« Antwort #12 am: 30. März 2015, 10:21:24 »
dazu hat man mir auf Rückfragen was anderes gesagt. Warten wir einfach ab was weiter geht.

Führerschein

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Re: Machbarkeit und Sinn von Scramjet-Antrieben an Raketenstufen
« Antwort #13 am: 30. März 2015, 10:25:23 »
dazu hat man mir auf Rückfragen was anderes gesagt. Warten wir einfach ab was weiter geht.

Dann hat man dir was falsches erzählt. Das war ein Tweet direkt nach den Beschädigungen durch Wellenschlag im Sturm und bezieht sich eindeutig auf das ASDS.

Martin

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Re: Machbarkeit und Sinn von Scramjet-Antrieben an Raketenstufen
« Antwort #14 am: 08. April 2015, 13:44:50 »
Im wundervollen Buch Ignition! gibt es einen kurzen Absatz zu einem Konzept aus den 1950er Jahren, als die Raketentreibstoffforschung noch jung war und man alle moeglichen Varianten untersuchte: Die Ram Rocket.

Dabei wurde eine Raketentriebwerk von einem Ramjet umhuellt. Das Raketentriebwerk sollte einen mono-Treibstoff (also Treibstoff und Oxidator in einem) nutzen und die Abgase im Ramjet mit Luftsauerstoff verbrannt werden. Als Treibstoff wurde Propin (Methyl-Acetylen) in Betracht gezogen, welches zu Methan und feinem Kohlenstoff umgesetzt werden sollte um dann im Ramjet zu verbrennen.

Es ging dabei weniger um Erststufen als um Cruise Missiles, aber so haette man fuer den Ramjet keinen extra Booster gebraucht, um ihn auf Geschwindigkeit zu bringen.