Lagekontrolle Raumsonden

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flyrider

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Lagekontrolle Raumsonden
« am: 20. Dezember 2010, 16:43:01 »
Hallo,

ich hätte mal eine Frage: Wie kann man eigentlich die Lage einer Raumsonde über längere Zeit genau einhalten? Auf der Erde werden in IMUs normalerweise ja die integrierten Werte der Drehwinkelsensoren (Gyros) immer mal wieder mit einem Referenzvektor (Erdanziehung) oder dem Magnetfeld korrigiert. Aber im freien Fall irgendwo im All hat ma ja keine Referenz....
Macht man das mit optischen Referenzen, oder wird das womöglich von der Erde aus immer wieder per Fernsteuerung korrigiert?
Oder aber sind die Fluglagen so stabil, dass man sie (wenn einmal erreicht) gar nicht mehr korrigieren muss?

Vielleicht kennt sich ja jemand damit aus.

Danke

Stefan

Janosch750

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Re: Lagekontrolle Raumsonden
« Antwort #1 am: 20. Dezember 2010, 16:48:39 »
Wie kann man eigentlich die Lage einer Raumsonde über längere Zeit genau einhalten? Auf der Erde werden in IMUs normalerweise ja die integrierten Werte der Drehwinkelsensoren (Gyros) immer mal wieder mit einem Referenzvektor (Erdanziehung) oder dem Magnetfeld korrigiert. Aber im freien Fall irgendwo im All hat ma ja keine Referenz....
Macht man das mit optischen Referenzen, oder wird das womöglich von der Erde aus immer wieder per Fernsteuerung korrigiert?
Oder aber sind die Fluglagen so stabil, dass man sie (wenn einmal erreicht) gar nicht mehr korrigieren muss?

Eine gute Zusammenfassung gibt es hier, allerdings in Englisch:

Zitat
Today star scanners are used. The Voyager spacecraft tracked a single bright star approximately orthogonal to the sun direction for 3-axis knowledge. This makes the main body of the spacecraft need to be fixed in space -- not useful for probes which don't have scan platforms.

Basically, a star scanner has a map of thousands of stars and can recognize which stars it's looking at and hence reconstruct the accurate spacecraft attitude. The scanner is a wide-field camera that is deliberately out of focus a bit so stars are circular smudges on the detector -- this helps locate the star image centroids better than a single pixel would. They can provide very accurate attitude coordinates, but have a slight drawback when the real attitude slowly changes (for example during slews in target motion compensation) so one of the bright stars exits the field of view (or a new one enters) and the new calculated attitude (taking this new visible star collection) can suddenly "jump" to a new one, if only by a bit. This can then cause the spacecraft to "correct" for the perceived disturbance -- a jitter effect only noticeable in very precise tracking needed for example with narrow-FOV cameras and long exposures.

Es werden also optische Sensoren verwendet, die Sterne anpeilen.

flyrider

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Re: Lagekontrolle Raumsonden
« Antwort #2 am: 20. Dezember 2010, 18:59:08 »
Wie kann man eigentlich die Lage einer Raumsonde über längere Zeit genau einhalten? Auf der Erde werden in IMUs normalerweise ja die integrierten Werte der Drehwinkelsensoren (Gyros) immer mal wieder mit einem Referenzvektor (Erdanziehung) oder dem Magnetfeld korrigiert. Aber im freien Fall irgendwo im All hat ma ja keine Referenz....
Macht man das mit optischen Referenzen, oder wird das womöglich von der Erde aus immer wieder per Fernsteuerung korrigiert?
Oder aber sind die Fluglagen so stabil, dass man sie (wenn einmal erreicht) gar nicht mehr korrigieren muss?

Es werden also optische Sensoren verwendet, die Sterne anpeilen.

Hallo Janosch,

Danke für die Antwort. Ich hab mal gegoogelt aber nichts wirklich passendes gefunden..???

Stell ich mir gar nicht so einfach vor, denn man wird die Karte ja nur in einer Orientierung haben. Wenn sich das Raumschiff nun doch mal weiter um mehrere Achsen dreht, dann muss ich ja erst wieder die richtige Orientierung finden...

*

Offline Schillrich

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Re: Lagekontrolle Raumsonden
« Antwort #3 am: 20. Dezember 2010, 19:34:45 »
Hallo,

die Rotation des gesehenen Bildes und der Referenzkarte ist "egal". Es reicht eine "Karte" mit bekannten Konstellationen. Die kann man auch "rotiert" in den Daten wiederfinden, da u.a. durch eine Rotation die Abstände zwischen den gesehenen/zu vergleichenden Objekten konstant bleibt. Das heißt, man kann u.a. durch den Abstand der Lichtpunkte untereinander die Konstellationen erkennen, egal unter welchem Winkel man sie sieht. Und dann kann man im zweiten Schritt auch gleich die eigene Rotation in Bezug zu dem mit diesen Objekten definierten System bestimmen.
\\   //    Grüße
 \\ ///    Daniel

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SteRo

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Re: Lagekontrolle Raumsonden
« Antwort #4 am: 31. Januar 2011, 10:01:54 »
Na dann geb ich mal noch meinen Senf dazu:

Satelliten benutzen in der regel eine Kombination aus IMU (oder besser eigentlich einen dreiachsigen Laserkreisel, denn die Beschleunigungssensoren sind egal) für relaitve Info, Magnetfeldsensoren, Erdsensoren (ins besondere GEO Satelliten), Sonnensensoren und die bereits erwähnten Sternensensoren für die absolute Lageinfo (sleten auch GPS gestützte Sensoren). Dabei ist lediglich der Sternensensor ein dreiachsiger sensor, gibt mir also alle drei Winkel. Bei den anderen absoluten Sensoren braucht man mindetsens zwei (im Leo meis Sonnensensor und Magnetfeldsensor). Die Sternensensoren sind mit Abstand die genauesten (Bogensekundenbereich), aber auch die teuersten. Und können von Sonne und Mond geblendet werden. Um ihre Rotationsachse sind sie außerdem deutlich ungenauer. Deshalb werden sie meist im Pärchen eingesetzt.
Für interplanetarsonden gibt es dann nur noch die IMU (für schnelle Bewegungen und um die Raumsonde erst mal zur Ruhe zu bringen) und dann Sonnensensor und Sternensensor. je weiter raus um so mehr ist man vom Sternensensor abhängig.

Bei Sternensensoren läuft die Erkennung in etwa so ab:
1. Die Abbildungen sind mit Absicht unscharf gestellt, d.h. ein Stern ist eine "verwaschene Wolke". Das dient für zwei Sachen: Zum einen kan man so hot-Pixel (durch Strahlung) schnell erkennen (sind nur ein/zwei Pixel groß) und per Gaußscher Glockenkurve kann man den Stern im Subpixelbereich lokalisieren.
2. Die Winkel und Abstände zwischen den hellsten Objekten (meist die 10 hellsten Objekte) werden ermittelt.
3. Im Sternenkatalog (meist bist Magnitude 6 oder 7) wird die Konstellation gesucht. Wird nichts gefunden wird das hellste Objekt weggelassen und noch mal gesucht. Wenn nichts gefunden wird das zweite Objekt weggelassen und noch mal gesucht. und so weiter bis irgendwann die Konstellation gefunden oder ein abbruch erfolgt (Dieses Verfahren dient dem Ausschluß von anderen satelliten oder anderen hellen Objekten).
4. Die exakte Lage und Ausrichtung der Sternenkatalogbildes im Vergleich zum aufgenommenen Bild ergibt die Lage in Roll, Pitch und Yaw. Um die Bildachse aber schlechter Aufgelöst.

Und um den ganzen Spaß zu machen muss die Sonde stillstehen, das heuißt über den Laserkreisel erst mal zur Ruhe gebracht werden. Sonst sind die Sterne nur Striche.

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Offline Schillrich

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Re: Lagekontrolle Raumsonden
« Antwort #5 am: 31. Januar 2011, 10:07:15 »
Danke für die Details :)
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Re: Lagekontrolle Raumsonden
« Antwort #6 am: 06. Dezember 2011, 12:14:52 »
Der Thread ist zwar schon etwas älter, aber meine Frage, ursprünglich aus dem Thread "Voyager / Pioneer 10 + 11", passt hier wohl am besten rein:

Wie funktioniert das bei einer spinstabiliersten Raumsonde (oder auch einem Satelliten) eigentlich mit der Anpeilung eines Leitsterns oder der Lagekorrektur? Wie kann also eine Raumsonde wie Pioneer 10 ihre Leitsterne trotz Rotation im Blick behalten, die Sensoren müßten ja mit dem Sondenkörper mitrotieren. Und wie verhält sich das bei einer Lageänderung, z.B. um Störeinflüsse auszugleichen, wird dann die Rotation angehalten, um das Manöver durchzuführen?

rnlf

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Re: Lagekontrolle Raumsonden
« Antwort #7 am: 06. Dezember 2011, 13:07:27 »
Wenn die Optik nach vorne (in Flugrichtung) ausgerichtet ist, ist es ja egal, ob die Sonde sich um die Längsachse dreht. Dann bleiben die Sterne trotzdem im Blickfeld und man kann sogar noch den aktuellen Drehwinkel rausrechnen.

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Offline KSC

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Re: Lagekontrolle Raumsonden
« Antwort #8 am: 06. Dezember 2011, 14:29:29 »
Die Start Tracker bei einer Spin-Stabilisierten Sonde werden möglichst senkrecht zur Rotationsachse installiert.
Der Sensor besteht ja aus einem CCD Array. Wenn nun die Sonde rotiert, dann wird ja entsprechend der Rotation ein „Verschmiertes“ Bild des jeweiligen Navigationssterns, bzw. Sternenkonstellation erzeugt.
Es gibt nun ein Verfahren, wie man diese durch den Spin verursachte „Verschmierung“ ausgleichen kann: Man aktiviert nur einen Teil des CCD Arrays und zwar synchron, aber entgegengesetzt zum Spin der Sonde.  Dieses Verfahren heißt time delay integration (TDI).

Gruß,
KSC

Re: Lagekontrolle Raumsonden
« Antwort #9 am: 07. Dezember 2011, 11:01:04 »
Danke soweit schonmal!

Bleibt noch der 2. Teil der Frage:
Zitat
Und wie verhält sich das bei einer Lageänderung, z.B. um Störeinflüsse auszugleichen, wird dann die Rotation angehalten, um das Manöver durchzuführen?

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Offline KSC

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Re: Lagekontrolle Raumsonden
« Antwort #10 am: 08. Dezember 2011, 07:57:59 »
Nein, um Lageänderungen durchzuführen braucht der Spin nicht gestoppt zu werden.
Die Manövriertriebwerke sind geometrisch so angeordnet dass sie, gegebenenfalls mehrer kombiniert, so gezündet werden können, dass man Lageänderungen auch bei aktivem Spin machen kann.

Gruß,
KSC