Raumcon
Raumfahrt => Organisationen, Unternehmen und Programme => Thema gestartet von: MX87 am 04. August 2008, 22:47:41
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Vor langer Zeit angeregt, heute endlich eröffnet. Der Thread zu einer der ersten Bemühungen eine möglichst günstige Rakete zu bauen.
Infos in Kürze:
http://de.wikipedia.org/wiki/OTRAG
Ausführlicher bei Bernd Leitenberger (mit Fotos):
http://www.bernd-leitenberger.de/otrag.shtml
http://www.bernd-leitenberger.de/otrag1.shtml
http://www.bernd-leitenberger.de/otrag2.shtml
Last but not least eine Fernseh-Dokumentation zu OTRAG:
https://www.youtube.com/watch?v=Ee5GEMBDaTA
https://www.youtube.com/watch?v=BTQO4_K1elc
https://www.youtube.com/watch?v=B3d77tgAkHQ
https://www.youtube.com/watch?v=KRx5PrYWh_E
https://www.youtube.com/watch?v=fHtZS1O_4lE
https://www.youtube.com/watch?v=c68hkb6c3tk
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Boah, wo hast du denn den Film aufgetrieben? Wusste garnicht, dass es einen Film über die Rakete gibt! Danke erstmal @MX87! ;D
Zur Rakete: Es war schon ein interessantes Konzept, nur leider stützten sich Teile davon auf unzuverlässige "Hoffnungen". Kayser meinte, dass sich bei den größeren Raketen dann die Abgasstrahlen "addieren" würden, und so hinter der Rakete für nochmals mehr Schub sorgen sollten.
Weiterhin war ja auch seine Startplatzwahl nicht so gut...ich denke mal, es hätte keiner was gesagt, wenn er von Brasilien, Indonesien oder Nauru aus gestartet wär (die anderen möglichen Startplätze aus dem Leitenberger-Artikel). Am besten wäre natürlich gewesen, die NASA hätte einen Platz auf dem KSC bereitgestellt. Aber das ist ja leider nicht passiert.
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Guten Morgen,
was für ein Konzept ... meine ersten Gedanken dazu:
- Leermasse
Die "einfache" Bündelung gleicher Rohrelemente zur Schubsteigerung wird mit einer gleichstarken Anhebung der Leermasse erkauft. Bei normalen Flüssigkeitsraketen skaliert dieses deutlich Verhältnis besser, da man bei Tankvergrößerungen keine "nutzlosen" Zwischenwände mitschleppt.
- Aerodynamik
Je größer die Rakete wird, desto "bulliger" wird der Block. Das dürfte aerodynamische Verluste erheblich erhöhen und hohe Belastungen der Struktur zur Folge haben. (Aber es ist ja eh alles aus Pipelinerohren zusammengeschustert ;))
- Stufentrennung
Die Stufen stecken ineinander. Bei der Zündung der nächsten Stufe muss diese (24m lang) aus der sie umgebenden ausgebrannten Stufe herausgezogen werden (mit Rollen geplant). Die Art der Stufentrennung dürfte problematisch sein, da lange und viel Kontakt zwischen den massereichen Stufenelemente besteht.
- Redundanz
Durch die vielen gleichartigen Schubelemente ist der Ausfall eines Elements nicht so tragisch, bezogen auf den Gesamtschub. Dafür kann der verbleibende Treibstoff dieses Elements aber auch nicht den anderen Triebwerken zur Verfügung gestellt werden. Dadurch würde man tote Masse mit sich schleppen an statt einfach bei Triebwerksausfall die anderen Triebwerke länger brennen zu lassen.
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Ja, Schillrich, deine Analyse trifft es sehr gut ;)!
Hast du den Leitenberger-Artikel gelesen? Da wird gesagt, dass die Triebwerksdaten von Kayser etwas unrealistisch sind, und es wird gesagt warum dies so ist. Kayser selbst meinte dazu, dass die besseren Daten dadurch zustande kämen, dass bei den größeren Raketen dann eben die Abgasstrahlen hinter den Triebwerken noch mal eine Art "Düse" bilden. Nur hat so etwas bis dahin (und heute auch noch) niemand beobachtet.
Was meint ihr denn dazu?
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Die Artikel habe ich erst begonnen zu lesen. In einer ruhigen Minute am Abend werde ich mir mal die Kritik am System darin zu Gemüte führen. Ein paar Punkte fallen einem ja auch so ein ;).
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Ich halte das Konzept ebenfalls für problematisch, allerdings auch auf seine Weise für vielversprechend.
Die Schwachpunkte die ich sehe und wie sie gelöst werden könnten:
Aerodynamik
Eine OTRAG für den Flug in den Orbit hätte einen cW-Wert wie ein Ziegelstein. Als Lösung sehe ich hier eine verbesserte Nutzlastverkleidung und evtl. eine aerodynamische Verkleidung der Stufen. Diese müsste aber möglichst Leicht, also aus einem möglichst leichten Material gefertigt sein.
Die größe der Triebwerksmodule
Um eine Rakete mit dem Ziel Orbit zu bauen müsste man tausende OTRAG-Module bündeln dh. man würde sehr viel Gewicht allein an die Konstruktion der Stufe verlieren. Meine Lösung wäre eine Vergrößerung inbesondere Verbreiterung der Module. Würde man jedes OTRAG-Modul zB auf einen Durchmesser von sagen wir mal 1,50m bringen würde die Eigengewicht-Nutzlast-Rechnung um einiges besser aussehen.
Stufentrennung
Wie bereits gesagt bringt die inneinander geschachtelte Rakete zu viele Probleme mit sich. Ich denke eine konventionelle Stufung wäre hier angebrachter.
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Mit dem "vielen" Umkonstruieren ginge aber der erwartete Hauptvorteil verloren: handelsübliche Komponenten. Die Rakete sollte ja aus "ineinander gesteckten" Pipelinerohren bestehen. Und was wurde noch gesagt? Ach ja: Scheibenwischermotoren ...
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Hi
Man kann sich in ein sinnloses Konzept, das sich für einen vermeintlichen Vorteil eine Unmenge Nachteile einhandelt, derart verbeissen, das man keinem rationalem Gedanken mehr zugänglich ist.
(my mind is made up, don´t confuse me with facts)
Wenn es ein auch nur annähernd brauchbares Konzept gewesen wäre, wäre es irgendwie aufgegriffen worden (die Raumfahrtbranche kennt das ja auch alles).
Aber die Geschichte hat es weggewischt...
(daraus folgt...)
mit freundlichem Gruß, James
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Aerodynamik
Eine OTRAG für den Flug in den Orbit hätte einen cW-Wert wie ein Ziegelstein. Als Lösung sehe ich hier eine verbesserte Nutzlastverkleidung und evtl. eine aerodynamische Verkleidung der Stufen. Diese müsste aber möglichst Leicht, also aus einem möglichst leichten Material gefertigt sein.
Guten Morgen,
eine gut geformte Nutzlastverkleidung hilft nur bedingt. Beim Überschallflug ist die Querschnittsfläche eine bestimmende Widerstandsgröße, (fast) unabhängig von der Form. Daher kommt die sog. Flächenregel bei Überschallflugzeugen der 50er Jahre, wo man versucht hat die Querschnittsfläche über die Länge konstant zu halten. Daraus ergibt sich aber eben auch: je größer die Querschnittsfläche, desto größer der Widerstand im Überschall.
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Wenn es ein auch nur annähernd brauchbares Konzept gewesen wäre, wäre es irgendwie aufgegriffen worden (die Raumfahrtbranche kennt das ja auch alles).
Aber die Geschichte hat es weggewischt...
(daraus folgt...)
mit freundlichem Gruß, James
Hallo,
das ist wohl eine sehr optimistische Aussage. Mir fällt aus den letzten 50 Jahren Raumfahrt nicht viel ein was sich auf Grund der technischen Überlegenheit durchgesetzt hätte. Die Schubverstärkung war durch eine Art Nachverbrennung des Abgasstrahls erwartet worden. So was gibt es derzeit aber nur bei militärischen Entwicklungen. Darüber hinaus hat Lutz Kayser einige bemerkenswerte Patente zur Regelung flüssiger Triebwerke an die Amerikaner verkauft. Ludwig Bölkow ließ damals das Projekt nachrechnen und der wesentliche Kritikpunkt war die zu geringe Nutzlast. Dass es frühzeitig scheiterte, war hauptsächlich sowjetischen und amerikanischen politischen Bemühungen zu verdanken die jedwelche Führungsansprüche keinesfalls gefährden wollten.
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Ich denke, dass die Idee mit der modularen Rakete nicht schlecht ist, aber besonders von OTRAG und IOS völlig falsch ausgeführt.
Ich denke, dass Flüssigkeitsbetriebene Module nicht das richtige sind. Feststofftriebwerke wären für eine solchen Zweck wesentlich besser mehr Power bei gleicher Größe). Auch müssten die Module um einiges größer sein, die bisherigen kleinen Module tragen in erster Linie ihr eigenes Gewicht in die Höhe, bei größeren Modulen könnte dieses Problem weitgehend verringert werden. Natürlich müssen auch leichtere Materialien für die Module verwendet werden...
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Naja, ich habe das mit dem denken schon lange aufgegeben und versuche lieber zu sortieren was andere gedacht haben. ;)
Warum eine Feststoffstufe bei gleicher Größe schub- oder impulsstärker als eine Flüssigstufe sein soll, ist mir trotzdem ein Rätsel. :(
Der Entwurf stammt von Mitte der 70er Jahre. Damals war das Material teurer und die Löhne billiger. Ein wichtiges Entwurfskriterium waren also die Standartmotoren von Bosch und die Standart Stahlrohre von Mannesmann. Heute würde man es wohl etwas anders angehen.
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The Soyuz three-stage rocket has a total of 34 engines, with the upper stage engines included.
Namd,
Das ist echt eine gute Satireseite ;D
Ich krieg mich nimmer!
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Vielleicht ist das Ganze auch wirklich nur als Satire gemeint? :-\
Allerdings ist das mit der Triebwerksanzahl meiner Zählung nach gar nicht so falsch. In den ersten beiden Stufen gibt es 20 größere und 12 kleinere Triebwerksdüsen, das macht zusammen 32. Wenn nun noch die 3. Stufe zwei hat (war auf dem von mir gefundenen Bild nicht zu erkennen), dann wäre die Zahl korrekt. Ob hinter jeder Düse auch eine eigene Brennkammer liegt, kann ich allerdings nicht sagen. Brennkammer und Düse zusammen wären dann ja wohl ein Triebwerk, oder?
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Hallo,
die Sojus hat viele Düsen, aber nicht so viele Triebwerke ;). Jedes RD-107 hat vier Brennkammern und 4 Düsen, ist aber als ein Triebwerk zu sehen. Die Brennkammern teilen sich die Aggregaten wie Pumpen und andere Anbausysteme, wodurch man sie nicht vom Rest getrennt betrachten kann.
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Aha, und wie ist es mit den kleinen "Lenkdüsen" (2 pro Erststufenbooster und 4 für den Kern)?
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M.E. werden die Steuerdüsen bei der Sojus üblicherweise zum eigentlichen Triebwerk gezählt. Das RD108 der Corestage inkludiert seine vier Lenkdüsen, die RD107 der Flüssigkeitsbooster drum herum haben je zwei Lenkdüsen. Jedes Triebwerk hat offenbar genau einen Satz Turbopumpen.
Beim RD0110 zähle ich vier grosse Düsen, die den maßgeblichen Schub erzeugen, und vier Lenkdüsen, die nach meinem Stand das Abgas des Gasgenerators zum Pumpenantrieb ausstoßen. Acht Düsen, ein Triebwerk.
Beim neueren RD0124 gibt es keine Lenkdüsen, da werden die vier grossen Düsen zum Lenken geschwenkt. Vier Düsen, ein Triebwerk.
Gruß Thomas
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Dieses Bild hier zeigts recht schön:
(https://images.raumfahrer.net/up023019.jpg)
Quelle (http://www.mentallandscape.com/S_R7.htm)
Alle Düsen hängen an der selben Turbopumpe, daher wirds eigentlich überall als ein Triebwerk bezeichnet.
Eine Firma, die selber Raketen bauen, und sich mit der großen Soyuz vergleichen will, sollte das zumindest wissen.. >:(
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Eine Firma, die selber Raketen bauen, und sich mit der großen Soyuz vergleichen will, sollte das zumindest wissen.. >:(
[ironie]
Alles Marketing ;) ::)
[/ironie]
Vielleicht sollte der Thread umbenannt werden in OTRAG / Interorbital Systems
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Im IMINT&Analyses Blog ist diesmal der fruehere OTRAG Startplatz im Kongo Bild der Woche:
http://geimint.blogspot.com/2010/05/image-of-week-otrag-launch-site.html
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Der Spaceport Tonga befindet sich - nach bester OTRAG-Tradition - in einer Bananenrepublik, eben der kleinen südpazifischen Insel Tonga:
http://www.interorbital.com/Spaceport%20Tonga_1.htm (http://www.interorbital.com/Spaceport%20Tonga_1.htm)
Das hier ist mir gerade aufgefallen. So zweifelhaft mancher Staat auch sein mag, schlecht ist der Standort nicht, denn Tonga liegt relativ nahe am Äquator, wo es nun mal die besten Startplätze gibt. Und wie viele Staaten liegen auf dem Äquator und sind keine Bananenrepublik ? ::)
Ein bisschen Sachverstand scheint also doch bei den Jungs vorhanden zu sein, aber man muss auch mit der Lupe danach suchen ;D
mfg websquid
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Manchmal siegt auch einfach das Marketing über den Sachverstand...
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Krautreporter haben sich wiedermal Kayser und der OTRAG gewidment: https://krautreporter.de/1085--geld-furs-nichtstun (https://krautreporter.de/1085--geld-furs-nichtstun)
Geht leider mit keiner Silbe auf die technischen Probleme des Konzepts ein, sondern nur auf die politischen.
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Mal wieder etwas auf Youtube gefunden:
Fehlstart einer OTRAG Rakete:
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Das war dann wohl der bei Wikipedia erwähnte Fehlstart, bei dem Mobutu anwesend war.
Im Nachhinein war es wohl mutig, den Start aus solcher Nähe unter freiem Himmel zu beobachten. Genauso gut hätte die Rakete ja auch auf die Gruppe zu fliegen können und ich schätze, von der Entfernung her hätte es auch gepasst. Naja, man kann ja nicht überall gleich NASA-Standards einhalten...
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Lutz Kayser ist tot:
http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.lutz-kayser-stirbt-auf-einer-einsamen-pazifikinsel-der-stuttgarter-raketenmann.0e8425cd-f812-4c6d-99ea-eb37024613be.html?reduced=true (http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.lutz-kayser-stirbt-auf-einer-einsamen-pazifikinsel-der-stuttgarter-raketenmann.0e8425cd-f812-4c6d-99ea-eb37024613be.html?reduced=true)
Er lebte zuletzt auf der Bikendrik Insel in den Marshall-Inseln im Pazifik.
Ich habe mal gehört, er wäre auf der Flucht vor dem deutschen Fiskus wegen Steuervergehen, keine Ahnung, ob das stimmt.
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Hallo,
dürfte für einige von euch sicher interessant sein:
https://www.filmfest-muenchen.de/de/programm/filme/film/?id=5711 (https://www.filmfest-muenchen.de/de/programm/filme/film/?id=5711)
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Der Film ist jetzt in einigen Kinos zu sehen.
https://www.kontextwochenzeitung.de/kultur/391/zurueck-ins-kayser-reich-5352.html (https://www.kontextwochenzeitung.de/kultur/391/zurueck-ins-kayser-reich-5352.html)
[ Invalid YouTube link ]
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Der Film ist jetzt in einigen Kinos zu sehen.
Produziert u.a. von arte, SWR und radiobremen. Der Film ist sicher bald auch im Fernsehen zu sehen.
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Der Film zum Wochenende:
Doku über Lutz Kayser...
https://www.spiegel.tv/videos/1609262-fly-rocket-fly (https://www.spiegel.tv/videos/1609262-fly-rocket-fly)
Wussten Sie, dass das weltweit erste private Raumfahrtunternehmen von einem Schwaben gegründet wurde? Die Doku "Fly Rocket Fly" erzählt die unglaubliche Geschichte der "Orbital Transport und Raketen AG".
Lutz Kayser war so etwas wie der deutsche Elon Musk. 1975 gründete er eine AG, um Weltraumraketen zu bauen. Für die Tests pachtete er in Zaire, heute die Demokratischen Republik Kongo, ein Stück Land in der Größe der damaligen DDR. Nach den ersten erfolgreichen Startversuchen wurde der politische Druck jedoch immer größer und es so kam zu einem entscheidenden Test vor den Augen des zairischen Diktators Mobutu.
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Ich hatte den Film gestern auch schon angeschaut um muss sagen: Super Film und vor allem eine endg.... Story. Was für ein Typ, was für ein Leben! Chapeau Lutz! Der hat sein Leben wirklich gelebt.
Und irgendwie fragt man sich, warum so etwas in Deutschland nicht wieder möglich sein sollte, warum geht sowas heute scheinbar immer nur in den USA oder Neuseeland oder sonstwo :-\
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Ich fand den Film auch absolut super!!
Wirklich sehr zu empfehlen :D
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Vielen Dank für den Tipp. Habe es mir heute angesehen. Absolut begeistert!
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Der Film hat mir auch sehr gut gefallen. Die starke Reduzierung einer "Off Stimme" war mal sehr wohltuend.
Am Anfang der fast schon dramatische Zusammenschnitt der mehrsprachigen (Zeit)Zeugenaussagen über den vermeintlichen Aufenthaltsort und Tätigkeit von L. Kayser - ist ja wie vom Regisseur gewollt um ein Phantom zu kreieren.
Hauptsächlich fand ich die Darstellung der überaus breiten Grundlagenarbeit sehr gut. Diese Aufwände und Mühen werden ja schnell mal vergessen, wenn man dann die Minuten eines Raketenstarts sieht.
Das bezieht sich auf die Grunlagenentwicklung, Test und vor allem die Erschliessung und Aufbau des Startgeländes.
Und Essen und Trinken, sogar Metzger vor Ort - das hebt die Stimmung.
Die internationale Verflechtung aus Sicht dritter Personen und Mächte kann man heute teilweise nur noch schwer nachvollziehen.
Ist halt auch immer Micromanagement und manchmal Zufall, wer im Flugzeug neben einem sitzt und wessen Pläne man (durch)kreuzt.
dksk
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Eine sehr interessante und auch toll gemachte Dokumentation.
Mir fehlt allerdings der Abschluss: Die OTRAG hat doch nach dem Ende in Zaire noch ein paar Jahre in Libyen mit Tests weiter gemacht, bis auch da die politische Situation zu unsicher wurde. Danach ging es noch in Schweden weiter, wo dann auch der allerletzte Testflug einer OTRAG Rakete stattfand.
Dies alles wäre sicher auch spannend zu sehen.
Frage in die Runde: Ich habe vor Jahren mal einen Artikel über die OTRAG in einer deutschen Luftfahrtzeitschrift gelesen, kann mich aber nicht mehr erinnern, welche das war und wann. Kann sich hier vielleicht sonst noch jemand an den Artikel erinnern und weiss sogar noch welche Zeitschrift dies war und wann?
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Ich hatte mal ein längeres Gespräch mit Hr. Wukasch, in welchem er mir u.a. erzählte daß die Zusammenfassung auf der website von Hr. Leitenberger zu OTRAG sehr gut sei. Siehe https://www.bernd-leitenberger.de/otrag1.shtml (https://www.bernd-leitenberger.de/otrag1.shtml), darin wird auch auf die weitere Geschichte eingegangen.
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Vorab: ich habe mir den Film nicht angesehen und werde es auch nicht tun, weil ich die damalige Geschichte hautnah miterlebt habe.
IMO war L. Kayser in erster Linie ein glänzender Verkäufer und Geldeinsammler. Insgesamt hat er sich damals rund 200 Mio.DM von Anlegern eingesammelt, das wären heute ca. I Milliarde €. Hinzu kommen unbekannte Summen der afrikanischen Diktatoren. Aber er hat niemals mehr als 40 Leute beschäftigt. Von seinem Verkaufstalent ("Tschaka!") konnte er sich letztendlich ein gutes Leben auf den Marshall-Inseln im Pazifik ermöglichen. Nicht umsonst hieß die Rakete damals schon "Zahnarzt-Rakete".
Empfehle den von proton01 verlinkten Artikel und den hier:
https://petermichaelschneider.com/2017/12/07/zum-tode-von-lutz-kayser-der-elon-musk-der-70er/ (https://petermichaelschneider.com/2017/12/07/zum-tode-von-lutz-kayser-der-elon-musk-der-70er/)
Hätte er jemals wirkliche Raumfahrt vorgehabt, wäre er nicht in diktatorisch regierte Länder gegangen, von denen aus das ohnehin nicht möglich ist. "The Elon" war da wesentlich intelligenter, als er das Kwajalein-Atoll zum Startplatz erwählte.
Zum Schluß: das Massenverhältnis der OTRAG-Raketen (Leermasse zu Startmasse) war unterirdisch. Eine OTRAG-Rakete so schwer wie die Falcon-9 beim Start hätte eine Nutzlast von vielleicht einer Tonne.
Gruß
roger50
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Dieser alte Artikel aus der Zeit (https://www.zeit.de/2008/32/A-Kongo-Raketen/komplettansicht) zeigt die politischen Verflechtungen ganz gut.
Frage in die Runde: Ich habe vor Jahren mal einen Artikel über die OTRAG in einer deutschen Luftfahrtzeitschrift gelesen, kann mich aber nicht mehr erinnern, welche das war und wann. Kann sich hier vielleicht sonst noch jemand an den Artikel erinnern und weiss sogar noch welche Zeitschrift dies war und wann?
Du meinst wohl den Artikel im Penthouse vom März 1978 ;D
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Frage in die Runde: Ich habe vor Jahren mal einen Artikel über die OTRAG in einer deutschen Luftfahrtzeitschrift gelesen, kann mich aber nicht mehr erinnern, welche das war und wann. Kann sich hier vielleicht sonst noch jemand an den Artikel erinnern und weiss sogar noch welche Zeitschrift dies war und wann?
Es gab mal eine Artikel in der Flug Revue, Sept 1978 "Rakete aus dem Baukasten". Es gab mal ein Archiv, daraus habe ich es kopiert, das scheint es aber nicht mehr zu geben.
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Vorab: ich habe mir den Film nicht angesehen und werde es auch nicht tun, weil ich die damalige Geschichte hautnah miterlebt habe.
Willst Du davon nicht ein bisschen mehr erzählen? Oder hast es schon - falls ja, wo steht es? :)
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Mit "hautnah" habe ich das falsche Wort gewählt, besser wäre vielleicht "zeitnah" gewesen. Meine, ich habe damals die ganze Entwicklung verfolgt. Gab genug Informationen in den Medien. Und für jeden, der ein bißchen was von Raumfahrttechnik verstand, war offensichtlich, daß Kayser nur ein Scharlatan war. Aber, wie ich schon schrieb, ein glänzender Verkäufer. Seiner Firma und seiner selbst. Nicht jeder konnte damals dem Bund für solch eine Idee 200 Mio. DM aus den Rippen leiern.
Nein, ich habe nichts weiter zu OTRAG zu sagen. Dies war mein letzter Post zu diesem Thema.
Gruß
roger50
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... Und für jeden, der ein bißchen was von Raumfahrttechnik verstand, war offensichtlich, daß Kayser nur ein Scharlatan war. ...
So ist das wohl.
Leitenberger:
"In test flights, according to ... FrankWukasch ... specific impulse of 1800 m/s ... . Taking this for the first and 2100-2200 for the upper levels, ... payload ... reduced considerable."
"Harry O. Ruppe ... calculated ... with realistic detail and comes to 2900 kg instead of 10000 kg for the large version."
"Harry Ruppe ... assumes ... maximum specific impulse of 2286 m/s."
H. O. Ruppe: "Die grenzenlose Dimension Raumfahrt Chancen und Probleme", Econ 1. Auflage 1980 Seite 333: Ausströmgeschwindigkeit Vakuum 2276 m/s.
Der Deutschen Gesellschaft für Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen (DWK) hat Kayser 1979 wohl angeboten, ab 1982 abgebrannte Brennelemente in "eine heliozentrische Bahn" oder "den galaktischen Raum" zu bringen. Edit: Das verneinen bestimmte Quellen.
Gruß Pirx
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"Harry O. Ruppe ... calculated ... with realistic detail and comes to 2900 kg instead of 10000 kg for the large version."
Kaysers Kalkül soll ja wohl gewesen sein: "Okay, die Nutzlast ist sehr niedrig. Aber dafür ist die Rakete so spottbillig zu bauen, dass man eben -zigmal startet und so immer noch weit unter den bisherigen Kosten bleibt." Wie man die vielen kleinen Teil-Nutzlasten dann im Orbit zusammenschraubt und die vielen Starts logistisch bewältigt, hat er dann wohl anderen überlassen.
Ganz zu schweigen vom Ressourcenverbrauch: Die OTRAG-Rakete war, wie damals allgemein üblich, eine Einwegrakete.
Ich denke auch, es ist kein Wunder, dass die Regierungen Leute wie Musk und auch Bezos ernst nehmen und Kayser damals nicht. Das hatte weniger mit politischen oder persönlichen Animositäten zu tun, sondern vor allem mit fachlicher Kompetenz und Ernsthaftigkeit.
Der Deutschen Gesellschaft für Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen (DWK) hat Kayser 1979 wohl angeboten, ab 1982 abgebrannte Brennelemente in "eine heliozentrische Bahn" oder "den galaktischen Raum" zu bringen.
OMG :o
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Man kann es nicht glauben, was man hier liest. Der Satz im Film, sinngemäß, Deutscher, Wissenschaftler und Unternehmer ist wohl noch immer suspekt, trifft dann wohl auch noch auf diese Forum zu. Der Mann hatte 2 Jahre Zeit, auf einem abgelegenen Hochplateu eine Raketenbasis zu bauen und angefangen, seine Ideen zu testen, bevor man ihm nach einer Handvoll Tests schon den Vertrag kuendigte. Blue Origin ist knapp 20 Jahre am Markt, hat defacto noch gar nichts gelaunched und Elon Musk ist bis heute fuer eine breite Masse ein Scharlatan und wurde auch hier als solcher tituliert. Nur weil wir heute wissen, dass Kayzer in manchen Punkten falsch lag, vielleicht auch etwas hyperoptimistisch war und nicht in allem die Wahrheit sagte, ist dieser Mensch immernoch ein Visionaer, der etwas erreichen wollte und anderswo durchaus ernst genommen wurde. Leider ist sowas heute in Deutschland nicht mehr gefragt und feiern statt dessen Leute wie Elon Musk und Jeff Bezos. Und nein, den Film muss man sich nicht ansehen, aber ich fand ihn spannend.
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Man kann es nicht glauben, was man hier liest. Der Satz im Film, sinngemäß, Deutscher, Wissenschaftler und Unternehmer ist wohl noch immer suspekt,....
? Wo nimmst Du denn das jetzt her? ???
Axel
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Man kann es nicht glauben, was man hier liest. Der Satz im Film, sinngemäß, Deutscher, Wissenschaftler und Unternehmer ist wohl noch immer suspekt,....
? Wo nimmst Du denn das jetzt her? ???
Axel
Aus dem Film :)
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Ich verstehe auch nicht, warum man teilweise so negativ urteilt und sogar von Scharlatan spricht.
Mag sein, dass die Rakete in der angedachten Konfiguration und mit dem Treibstoff nie effizient einsetzbar gewesen wäre. Zu viel Systemmasse, ISP zu gering, usw. Aber zu unterstellen, dass man nur Geld einsammeln wollte und es gar nicht wirklich versucht hätte, finde ich nicht richtig.
Mag sein, dass Kayser im Laufe des Projekts auch nicht immer die „volle Wahrheit“ gesagt hat, aber ich kann sowas auch verstehen: Wenn man merkt, dass das System nicht die gewünschten Eigenschaften hat, kann man entweder gleich aufgeben oder nicht alle Karten auf den Tisch legen und hoffen, dass weitere Gelder weitere Chance ermöglichen. Und so viel Geld einzusammeln ist ja auch eine Kunst.
Ich finde, der hat alles richtig gemacht. Vielleicht war er seiner Zeit auch nur 20 Jahre voraus. Und vor allem: Was für eine Vision! Was für ein Abenteuer! Was für ein Leben! 8)
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Was für ein Abenteuer! Was für ein Leben! 8)
Okay, das auf jeden Fall, finde ich auch. :)
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Nachruf des Neffen von Lutz Kayser: http://www.linkayser.com/2017-11-286 (http://www.linkayser.com/2017-11-286)
mit Link zur alten Broschüre der OTRAG von 1977: https://www.dropbox.com/s/r4l0oqku4pnokfa/OTRAG_Zeitschrift4.pdf?dl=0 (https://www.dropbox.com/s/r4l0oqku4pnokfa/OTRAG_Zeitschrift4.pdf?dl=0) (PDF)
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Der Doku-Film "Fly Rocket Fly" wird am 23. Februar um 22.25 Uhr auf arte gesendet. Dann ist er auch für 1 Woche in der Mediathek abrufbar.
https://www.arte.tv/de/videos/067075-000-A/fly-rocket-fly/ (https://www.arte.tv/de/videos/067075-000-A/fly-rocket-fly/)
Wh. am Mo, 02.03.2020, 23.30 Uhr, im Ersten.
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Habe mir gerade Fly Rocket Fly in der Mediathek angesehen. Sehr sehenswert ! Ein Stück vergessene Raumfahrtgeschichte - vieles erinnert an SpaceX, ein charismatischer
Anführer, einfache Lösungen finden , einen neuen Markt erschliessen. Dazu so etwas wie Crowdfunding und ein Startup, als es diesen Begriff noch nicht gab.
Nur die politischen Implikationen der ganzen Idee wurden übersehen.
Wirklich interessante Raumfahrtgeschichte aus Deutschland.
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Habe mir gerade Fly Rocket Fly in der Mediathek angesehen. Sehr sehenswert ! Ein Stück vergessene Raumfahrtgeschichte
Ja, fand ich auch. Auf der Webseite otrag.com gibt es weitere Infos.
... einfache Lösungen finden ...
Vielleicht ein bisschen ZU einfach. Hier in diesem Thread wurde über die Vor- und Nachteile der Rakete im Laufe der Jahre einiges geschrieben und verlinkt. Bei mir ist als Quintessenz hängen geblieben, dass die Otrag-Rakete ziemlich ineffizient war, sodass sie gerade mal ihr eigenes Gewicht starten konnte, aber keine großartigen Nutzlasten.
Nur die politischen Implikationen der ganzen Idee wurden übersehen.
Ja, der 2. Weltkrieg war da erst ca. 25 Jahre her und Deutschland als Hauptaggressor eines Krieges mit Millionen von Toten wurde misstrauisch beäugt und kontrolliert. Und die Technik war zumindest für Privatfirmen noch nicht so weit. Nochmal 25 Jahre später, also 1995, hätten die Chancen vielleicht besser gestanden. Werden wir nicht mehr erfahren.
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Die Triebwerke scheinen aber in Lampoldshausen sehr intensiv getestet worden zu sein.
Sie waren also durchaus zuverlässig.
Wie gesagt, ein sehr interessantes Konzept, vor allem hinsichtlich der Verwendung von billigen, weil industriell vorgefertigten, Bauteilen.
Das es große Kritik an diesem Konzept und seinem Protagonisten, Lutz Kayser, gibt, ist bekannt und sicherlich berechtigt.
Dennoch scheint es so, dass seine OTRAG-Mannschaft bis heute von der ganzen Sache überzeugt ist, also auf jeden Fall eine eingeschworene Gemeinschaft
geschaffen wurde. Was auch für das Betriebsklima dieser Firma spricht.
Die Bilder aus dem afrikanischen Busch sind sehr reizvoll. Das war für alle eine großes Abenteuer, na klar.
Leider endet der Film mit der Vertreibung der OTRAG aus Zaire. Das Kapitel Libyen und Kiruna wurde leider nicht mehr dokumentiert.
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Leider endet der Film mit der Vertreibung der OTRAG aus Zaire. Das Kapitel Libyen und Kiruna wurde leider nicht mehr dokumentiert.
Genau, das fand ich auch schade.
Vielleicht gibt es ja mal einen Teil 2. :-)
EDIT: Auf der oben erwähnten Seite otrag.com finde ich gerade ein Interview mit dem Regisseur des Films, Oliver Schwehm. Zum Schluss nimmt er Stellung dazu, warum er Libyen und Kiruna nicht erwähnt hat:
http://otrag.com/interview-mit-regisseur/ (http://otrag.com/interview-mit-regisseur/)
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EDIT: Auf der oben erwähnten Seite otrag.com finde ich gerade ein Interview mit dem Regisseur des Films, Oliver Schwehm. Zum Schluss nimmt er Stellung dazu, warum er Libyen und Kiruna nicht erwähnt hat:
http://otrag.com/interview-mit-regisseur/ (http://otrag.com/interview-mit-regisseur/)
Ich denke, das macht Sinn. Man kann halt nur soundso viel vernünftig in 90 Minuten unterbringen.
Jedenfalls ein Super-Film, lohnt sich unbedingt. Ich wusste gar nicht, dass es noch so viel Original-Filmmaterial von den OTRAG-Aktivitäten gibt.
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Es gibt wohl Überlegungen, auch einen Film über die OTRAG in Libyen zu machen. :)
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Schöne Zusammenfassung der Aktivitäten der OTRAG, auch im Vergleich zu SpaceX:
https://1e9.community/t/der-erste-elon-musk-die-unglaubliche-geschichte-der-deutschen-raketenfirma-otrag/8807 (https://1e9.community/t/der-erste-elon-musk-die-unglaubliche-geschichte-der-deutschen-raketenfirma-otrag/8807)
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Gute Morgen!
Gibt es eigentlich nur noch einen Maßstab in der Welt der Raketen? Ich persönlich finde es bedauerlich bis befremdlich und durchaus ermüdend, dass alles, aber auch wirklich alles, mit den Aktivitäten von SpaceX und Herrn Musk verglichen wird, egal wie passend ... oder auch nicht. Ok, vergleichen kann man alles. Hier mag ein entschiedener Unterschied darin liegen, dass Erzeugnisse von SpaceX ausreichend Isp besitzen, um geschäftserhaltend ausreichend nützliche Nutzlastmengen ins All zu bringen.
Mit den OTRAG-Pipelines ist meiner Einschätzung nach vor allem gezeigt worden, wie es nicht geht.
Gruß Pirx
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Deutsche Raketen für Gaddafi
Dokumentation von Oliver Schwehm und Kersten Schüssler (D 2020, 52 Min)
Gruß Pirx