Chinas Raumfahrt

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Offline Regnart

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Re: Chinas Raumfahrt
« Antwort #775 am: 24. Februar 2023, 16:22:09 »
Hier ist ein Bild der chinesischen Mondlandefähre:


Bild: Philip Ye

Die Originalquelle kann ich hier leider nicht verlinken, sie befindet sich aber, mit weiteren Erläuterungen, hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Bemanntes_Raumfahrtprogramm_der_Volksrepublik_China#Bemanntes_Monderkundungsprogramm

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Offline alepu

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Re: Chinas Raumfahrt
« Antwort #776 am: 28. Februar 2023, 14:34:00 »
Die für etwa 2030 geplante erste bemannte chin. Mondlandung scheint tatsächlich langsam Gestalt anzunehmen.
Mittels 2er LongMarch 10 soll der Lander+Transfermodul sowie das in Bau befindliche neue Raumschiff getrennt in die Mondumlaufbahn gebracht werden, wo dann nach Apollo-Manier 2 Astronauten umsteigen und für wenige Stunden auf dem Mond landen.
Das Transfermodul des Landers übernimmt den Hauptanteil des Abstieges und soll nach der Abtrennung hart auf dem Mond aufschlagen. Lander und Aufsteiger (4 Motore) sind eine Einheit und können so wiederverwendet werden.
Wie auch auf der Abb. schön zu sehen ist, transportiert der Lander einen seitlich angebrachten zusammengeklappten Rover.
Links im Hintergrund wohl die Startrakete und rechts das neue Raumschiff.

https://twitter.com/SciGuySpace/status/1630209008098263045

https://spacenews.com/china-unveils-lunar-lander-to-put-astronauts-on-the-moon

Möglicherweise gibt es bei dieser ersten bemannten Mondlandung dann auch schon eine durch unbemannte Lander errichtete erste rudimentäre Station.

https://bloomberg.com/news/articles/2022-11-25/china-plans-to-build-nuclear-powered-moon-base-within-six-years

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Offline tomtom

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Re: Chinas Raumfahrt
« Antwort #777 am: 05. März 2023, 18:02:47 »
China baut in letzter Zeit massiv seine Infrastruktur für Raketenstarts aus, was man per Erdbeobachtung gut nachvollziehen kann.

https://www.wiwo.de/technologie/wirtschaft-von-oben/wirtschaft-von-oben-198-chinas-weltraumbahnhoefe-hier-baut-china-seine-macht-im-weltraum-aus/28999700.html
Im Zweifel hilft die Such-Funktion:
https://forum.raumfahrer.net/index.php?action=search

Offline Regnart

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Re: Chinas Raumfahrt
« Antwort #778 am: 05. März 2023, 19:08:04 »
Hier ist der geplante weitere Ausbau des Kosmodroms Wenchang auf der Insel Hainan:



Die gerodete Fläche etwas weg von der Küste wird einmal ein "Doppelhaus" für die parallele Montage von zwei Mondraketen (eine für die Mannschaftskapsel, eine für die Landefähre):



An dem kommerziellen Startkomplex wird seit dem 6. Juli 2022 gebaut, die ersten Stahlträger für den Startturm wurden am 20. Januar 2023 aufgestellt:


http://www.gov.cn/xinwen/2023-01/23/content_5738601.htm#1

Die genauen Quellenangaben für die Bilder aus Hainan mit einigen weiteren Erläuterungen finden sich hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Diskussion:Kosmodrom_Wenchang#Weiterer_Ausbau

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Offline roger50

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Re: Chinas Raumfahrt
« Antwort #779 am: 05. März 2023, 23:29:51 »
Einen Eindruck vom Bauzustand geben auch die ziemlich aktuellen Airbus-Photos, die inzwischen bei "Google Earth" zu sehen sind. Aufgenommen in diesem Jahr.

Gruß
roger50

Offline Regnart

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Re: Chinas Raumfahrt
« Antwort #780 am: 14. März 2023, 10:44:04 »
Interessante Entwicklung:
Nach der Regierungsumbildung am 12. März, bei der der bisherige Kommandant des bemannten Raumfahrtprogramms (ein gelernter Raumfahrtingenieur) zum Verteidigungsminister ernannt wurde, hat es im Direktorium des Programms auch eine organisatorische Änderung gegeben - die Zahl der Stellvertretenden Technischen Direktoren wurde von acht auf fünf reduziert. Die letzten beiden Porträt-Reihen hier:
http://www.cmse.gov.cn/gygc/zzgl/gcld/

Gleichzeitig hat die CMSA bekanntgegeben, dass man nun "mit voller Kraft die bemannte Monderkundung vorantreibt" (全力推进载人月球探测任务):
http://www.cmse.gov.cn/xwzx/202303/t20230312_53076.html

Laut ihrer am 21. September 1992 verabschiedeten Charta endet die Aufgabe der CMSA mit Bau und Betrieb der Raumstation; Monderkundung gehört nicht dazu. Entweder der Aufgabenbereich wird bis 2027 (Erstflug der Changzheng 10) erweitert, oder es wird, ähnlich wie bei der NASA, eine separate Behörde geschaffen. Angesichts der Tatsache, dass auf dem Mond auch viel mit Robotersonden gearbeitet wird - eigentlich das Aufgabengebiet der CNSA -  wäre das nicht die schlechteste Idee: alles mit Bezug zum Mond unter einem Dach bündeln, um interbehördliche Reibungsverluste zu vermeiden.

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Offline alepu

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Re: Chinas Raumfahrt
« Antwort #781 am: 14. März 2023, 15:33:55 »
"...mit voller Kraft die bemannte Monderkundung vorantreiben..."

Wenn ich nicht wissen würde, daß sich die Chinesen nicht in einem Wettrennen zum Mond befindend betrachten, würde ich doch fast glauben dies sei eine deutliche Antwort auf die sich abzeichnenden Artemis-Verzögerungen und damit der Möglichkeit zumindest als erste Nation eine bemannte Mondstation zu errichten und dauerhaft zu betreiben!

Offline Regnart

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Re: Chinas Raumfahrt
« Antwort #782 am: 14. März 2023, 18:24:58 »
Damit liegst Du durchaus richtig :)

Für diejenigen, die mit dem ideologischen Überbau der chinesischen Raumfahrt nicht so vertraut sind:

Das Verbot von Weltraumrennen geht auf das Jahr 1966 zurück, als junge Wissenschaftler im ersten Eifer der Kulturrevolution - es war gerade Vietnamkrieg und mit der Sowjetunion, dem damaligen Hauptgegner,  steuerte man auf einen Atomkrieg zu - über einen zur Erde zurückkehrenden, mit einer Filmkamera ausgestatteten Spionagesatelliten zu einem bemannten Raumschiff kommen wollten. Das war durchaus so geplant und kam am Ende auch so: 1975 flog der erste efolgreiche Rückkehrsatellit, 2003 erfolgte der erste bemannte Raumflug mit einer direkt von den Rückkehrsatelliten abgeleiteten Technik. 1966, als in den USA das Apollo-Programm lief, war das jedoch absolut jenseits der Möglichkeiten Chinas. Zhou Enlai, der als Premierminister für die Raumfahrt zuständig war, untersagte den Wissenschaftlern explizit, sich auf ein Weltraumrennen einzulassen. Sie sollten stattdessen Satelliten entwickeln, die der wirtschaftlichen Entwicklung Chinas nützlich wären. Wettersatellit statt Gagarin.

Dieses Verbot von Weltraumrennen wird immer noch respektiert. Nach jeder erfolgreichen Mission kommt bei den Pressekonferenzen die Frage, ob man nun die Amerikaner zum Mond oder gar zum Mars schlagen könnte. Jedes Mal wird das von den Verantwortlichen mit fast wörtlichen Zhou-Zitaten höflich aber bestimmt abgebogen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Raumfahrt_der_Volksrepublik_China#Verbot_von_Weltraumrennen

Der damalige Premierminister Wen Jiabao hat am 24. Januar 2004 ein Dokument unterzeichnet, wo der Bau einer ständig bemannten Mondstation und der in mehrere Schritte unterteilte Weg dahin festgelegt war. Man war sich natürlich über das am 14. Januar 2004 gestartete Constellation-Programm der Amerikaner im Klaren. Die chinesischen Mondplanungen liefen aber bereits seit 1991, als die USA noch an den Space Shuttle glaubten. Das zeitliche Zusammentreffen ist rein zufällig.

Die Internationale Mondforschungstation unter chinesischer Führung hat auch politische Aspekte. Wer will, kann dieses unglaublich dröge Dokument des Staatsrats durch ein Übersetzungsprogramm laufen lassen:
http://www.gov.cn/zhengce/content/2018-03/28/content_5278056.htm

Kurz zusammengefasst bedeutet das, dass die Station auf dem Mond ein Mittel ist, um den diplomatischen Einfluss Chinas auf der Erde zu vergrößern. Wer dort oben in einem chinesischen Wohmodul sitzt, wird bei Abstimmungen im Sicherheitsrat etc. eher nicht gegen China votieren.

Das ist aber nur ein Kollateralnutzen der Mondstation. Die ganze Sache geht letztendlich auf das Jahr 1433 zurück, als die chinesische Regierung mit der Einstellung der staatlichen Seefahrt – das damalige Äquivalent zur Raumfahrt – einen der größten Fehler in der Geschichte begangen hat. Man war damals überzeugt, das größte, beste, schönste Land der Welt zu sein und hat das Geld für den Schiffsbau lieber in Porzellanmanufakturen gesteckt. Der Seehandel lief natürlich weiter, aber die Gewinne machten die iranischen Reeder, und im 19. Jahrhundert waren plötzlich britische Kanonenboote vor der Küste und zwangen die chinesische Regierung, den Handel mit harten Drogen zu legalisieren.

Deutsche Sinologen (vor allem Roderich Ptak) und chinesische Historiker haben das schon lange gesagt. Xi Jinping hat dann den Bezug zur Raumfahrt hergestellt und am 11. Juni 2013 die Raumfahrttraum-Doktrin ausgerufen ("Raumfahrt ist Staatsräson"). Wenn Xi von den "unendlichen Weiten des Weltalls" spricht, dann ist das keine von "Raumschiff Enterprise" geklaute Floskel, sondern er meint das wörtlich. Die chinesische Raumfahrt hört nicht auf. Sie kann nicht aufhören, sondern muss immer tiefer in die Weiten des Weltalls vordringen, um Stagnation zu vermeiden. Die Raumstation ist zunächst mal fertiggestellt, jetzt muss man weiter zum Mond. Wenn das Routine ist, dann weiter zum Mars. Dann Ceres, Kallisto ... . Immer weiter, bis in eine Entfernung von 65 Lichtjahren.

Offline trallala

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Re: Chinas Raumfahrt
« Antwort #783 am: 14. März 2023, 19:29:10 »
Vielen Dank für die ausführliche und aufschlussreiche Erklärung Regnart!  :)

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Offline alepu

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Re: Chinas Raumfahrt
« Antwort #784 am: 14. März 2023, 23:55:09 »
Schließe mich an, sehr interessantes Hintergrundwissen! Danke dafür.

Auch wenn sich die Chinesen nicht in einem Rennen fühlen, die Amerikaner tun's bestimmt. Und das kommt der Raumfahrt sicher zu Gute.
Wo die Chinesen traditionsverbunden im Denken und konsequent im Handeln sind, braucht die amerik. Politik/Entscheidungsträger anscheinend immer einen Gegner den es zu besiegen gilt, wenn sie sich nicht in sich ständig wiederholenden Planungsänderungen verzetteln will.

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Offline jdark

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Re: Chinas Raumfahrt
« Antwort #785 am: 15. März 2023, 00:09:57 »
Oha, eine Menge dazugelernt. Danke.
(Daumenhoch Post :P )
Und wer ist schuld?....

Re: Chinas Raumfahrt
« Antwort #786 am: 15. März 2023, 09:01:17 »
Beim Schach gibt es eine Weisheit: Die Drohung ist stärker als die Ausführung.
China erhöht sein Potential auf pragmatische Weise -scheinbar- unbeeindruckt von der Konkurrenz.
Es ist in der Wirtschaft wichtig, sich zu verbessern, sonst fällt man hinter der Konkurrenz zurück.
Zudem bleibt man dadurch in der Lage unter Druck die eigenen Ziele zu forcieren.
Dadurch wird es für die Konkurrenz, USA und EU, Japan, UK wichtig zu kooperieren.
Seit Apollo und Star Trek Classic Astronomie, Raumfahrt und SciFi-Fan.

TWR genügt als Anrede

Offline Regnart

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Re: Chinas Raumfahrt
« Antwort #787 am: 21. März 2023, 07:39:45 »
Das Potential wird in der Tat erhöht. Hier ein im Original gestern veröffentlichtes Video vom Baufortschritt auf dem Kosmodrom Wenchang:

[ Invalid YouTube link ]

Bei 0:30 kann man sehen wie die Startrampe einmal aussehen soll, wenn sie fertig ist (die ersten Starts sollen im 2. Quartal 2024 erfolgen). Man beachte: kein Flammengraben, sondern - erstmals in China - ein ebenerdiger Konus zur Flammenumlenkung. Die Rakete (primär Langer Marsch 8) wird wieder durch eine aufklappbare Einhausung vor Wind und Wetter geschützt.

Diese Startrampe heißt "Startrampe 1". Mit den Bauarbeiten für eine "Startrampe 2" (wohl ebenfalls für kommerzielle Starts) und zwei Startplätze für Feststoffraketen hat man bereits begonnen.

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Offline alepu

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Re: Chinas Raumfahrt
« Antwort #788 am: 06. April 2023, 12:37:23 »
China hat Venezuela eingeladen sich an ihrem internationalen Mondererforschungs-/besiedlungsprojekt zu beteiligen.
Im Hinblick auf die mehr als dürftige Raumfahrt Venezuelas erhebt sich die Frage wie sinnvoll das ist, ausser vielleicht zu PR-Zwecken.
Bisher ist ja nur noch Russland an diesem Projekt beteiligt, UAE ist aus einem Roverprojekt erst vor kurzem ausgestiegen.
China versucht ja schon länger ein Gegengewicht zu den amerik. Artemis Accords (bisher 23 Mitglieder) aufzubauen, was befürchten läßt, daß sich eine unschöne Konkurrenzsituation auf dem Mond und anderswo im All etablieren könnte.

https://spacenews.com/china-invites-venezuela-to-join-moon-base-project

Offline Regnart

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Re: Chinas Raumfahrt
« Antwort #789 am: 06. April 2023, 18:42:57 »
Ich sehe gerade, dass in dem Spacenews-Artikel schon wieder der Unsinn von der Wiederverwendbarkeit der Changzheng 9 verbeitet wird. Richtig ist, dass man sich seit 2010 die Option auf eine spätere wiederverwendbare Variante offengehalten hat, seit 2016 in der Version mit den vier Boostern. Das einzige, was sich 2022 geändert hat, ist, dass man nun auf die Booster verzichtet und die Nutzlastverkleidung größer gestaltet hat, um nicht nur schwere, sondern auch große Module zum Mond schicken zu können. (Die Dinger sanft auf den Mond hinunterzulassen ist dann wieder ein ganz anderes Problem).

Die Wiederverwendbarkeit steht weiterhin auf dem Zettel, kommt aber erst Mitte des Jahrhunderts. Der derzeitige Entwicklungsplan sieht so aus:
2030 dreistufige Version mit 50 t zum Mond, L2-Punkt etc.
2040 zweistufige Version mit 150 t in den erdnahen Raum
2050 Wiederverwendbarkeit der 1. Stufe

Abgesehen von der geänderten äußeren Form funktioniert die Rakete im Prinzip noch so wie 2016. Ein Ingenieurmodell des YF-90 Wasserstoff-Sauerstoff-Triebwerks mit 2200 kN für die 2. Stufe wurde 2021 fertiggestellt:


http://www.sasac.gov.cn/n2588025/n2588124/c19963265/content.html

Da das Ding so groß ist, dass es nicht mehr in den Prüfstand bei Peking passt, baut man seit letzter Woche tief in den Bergen einen neuen Prüfstand:


http://he.people.com.cn/n2/2023/0331/c192235-40359995.html

Der neue Prüfstand ist übrigens für Triebwerke bis 5000 kN ausgelegt. Da hat man offensichtlich noch Größeres vor.

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Offline HausD

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Re: Chinas Raumfahrt
« Antwort #790 am: 07. April 2023, 09:55:17 »
Danke für die Fakten und die Richtigstellungen!  Frohe Ostern, HausD

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Offline alepu

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Re: Chinas Raumfahrt
« Antwort #791 am: 07. April 2023, 13:08:01 »
Kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, daß China noch fast 30 Jahre mit der Wiederverwendbarkeit hinwartet. Wobei doch schon heute die Vorteile ganz klar sind.
Und wenn sie inzwischen andere wiederverwendbare Träger entwickeln, werden sie wohl LM9 mit Wiederverwendung nur der 1.Stufe auch nicht mehr so dringend brauchen.
(Schaut ja schon heute so aus, als würden sie u.a. auch ein Starship-Äquivalent bauen wollen mit wiederverwendbarer 1. u. 2. Stufe)

Offline Regnart

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Re: Chinas Raumfahrt
« Antwort #792 am: 07. April 2023, 16:06:10 »
Das mit dem Starship-Äquivalent ist ein von Long Lehao, einem 84-jährigen Ex-Ingenieur der Herstellerfirma, im Fernsehen verbreitetes Gerücht, auf das weniger die chinesischen, sondern primär ausländische Raumfahrtfans und Journalisten sofort angesprungen sind. Das wurde ab 2017 tatsächlich diskutiert, aber vom Vorstandsvorsitzenden des Mutterkonzerns von Long Lehaos ehemaligem Arbeitgeber in Reaktion auf diese Gerüchte wiederholt dementiert und auf die ferne Zukunft verschoben. Andrew Jones kennt diese Reden von Wu Yansheng. Dass er weiterhin falsche Behauptungen verbreitet - wohl um bei Spacenews.com Klicks zu generieren - ist ausgesprochen ärgerlich.

Die Vorteile der Wiederverwendbarkeit sind relativ. Senkrecht landende Raketen müssen den Treibstoff für die Landung mitführen, können also von vornherein weniger Nutzlast transportieren als eine Wegwerfrakete. Arme Leute können damit den erdnahen Raum mit Kleinsatelliten zumüllen, für ernsthafte Raumfahrt ist das aber weniger geeignet. Bei Raumgleitern hast Du ein ähnliches Problem: durch den Hitzeschutz, Tragflächen und Fahrwerk haben die Dinger ein hohes Eigengewicht, also weniger Nutzlast.

Nichtsdestotrotz wird in China seit 1986 - damals unter dem Eindruck des Space Shuttle - an wiederverwendbaren Raumtransportsystemen gearbeitet:
https://de.wikipedia.org/wiki/YF-100#Geschichte

Neben dem Tengyun-Raumgleiter, der die Amerikaner 2021 in Angst und Schrecken versetzte aber noch sehr lange bis zur Einsatzfähigkeit braucht, läuft derzeit die Entwicklung von zwei wiederverwendbaren Trägern:

Die Changzheng 8R mit senkrecht landender Erststufe, angepeilter Erstflug 2025:
https://de.wikipedia.org/wiki/Langer_Marsch_8#CZ-8R

Ein zweistifiger Raumgleiter mit wiederverwendbarer Trägerstufe, entfernt vergleichbar dem von den Amerikanern aufgegebenen XS-1, angepeilter Erstflug 2030:
https://de.wikipedia.org/wiki/Chongfu_Shiyong_Shiyan_Hangtian_Qi#Wiederverwendbares_Raumtransportsystem

An diesen beiden Projekten wird ernsthaft und real gearbeitet, im Falle des XS-1-Analogs finanziert aus dem Fonds für nationale wissenschaftlich-technische Großprojekte (der ultimative Ritterschlag). Wie die zuständigen Ingenieure aber nicht müde werden zu betonen, steht und fällt das alles mit Methoden zur zerstörungsfreien Prüfung von Triebwerken und tragender Struktur, eine Technologie, über die man in China derzeit noch nicht verfügt. Am Erstflug arbeitet man, die Indienststellung wird erst dann genehmigt, wenn die Sicherheit gewährleistet ist.

Was die wiederverwendbare Changzheng 9 betrifft, so ist meine persönlich Meinung, dass das gar nie nichts werden wird. Bislang läuft der Entwicklungsprozess genauso wie einst bei der Changzheng 5. Da war ursprünglich auch eine ganze Familie von Raketen angekündigt:
https://de.wikipedia.org/wiki/Langer_Marsch_5#Geschichte

Tatsächlich gebaut wurden dann die Langstreckenversion (zuerst) und die Schwerlastversion (vier Jahre später). Wie die ersten beiden Entwicklungsstufen der Changzheng 9.

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Offline alepu

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Re: Chinas Raumfahrt
« Antwort #793 am: 07. April 2023, 17:57:50 »
#Regnart

Vielen Dank für diese gründliche und offensichtlich wohlinformierte Erklärung!
Bin immer wieder überrascht wie viel doch über das chin. Raumfahrtprogramm zu erfahren ist, wenn man die nötigen Quellen kennt.  ;)

Natürlich sind die "Vorteile der Wiederverwendbarkeit relativ" ! Wie eben Alles in unserer "relativen Welt". Alles hat seine Vor- und Nachteile!
Aber trotz dieser spez. Nachteile auch der Wiederverwendbarkeit (z.B. auch der Verpackungen/Plastiktüten usw. usw.) werden wir sowohl allgemein und auch in der Raumfahrt aus sehr vielen Gründen nicht um sie herumkommen und so werden wir sie wohl auch früher oder später in der chinesischen Raumfahrt bewundern dürfen. Und sicher auch bei "ernsthafter Raumfahrt"!
Das "Zumüllen" das damit leider begünstigt wird, sehe ich allerdings auch als ein Riesenproblem, das uns durchaus noch manche schlaflose Nächt bescheren kann. Aber auch da gibt es Gegenmaßnahmen.

Offline Regnart

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Re: Chinas Raumfahrt
« Antwort #794 am: 08. April 2023, 09:31:53 »
Was wir früher oder später ganz sicher in der chinesischen Raumfahrt bewundern dürfen, ist das XS-1-Analog, also ein wiederverwendbarer Raumgleiter mit wiederverwendbarer, im Gleitflug horizontal landender Trägerstufe. Und zwar aus zwei Gründen:

1. Der Fördertopf
Es ist extrem schwierig, in den Kreis der nationalen wissenschaftlich-technischen Großprojekte aufgenommen zu werden. Aus diesem Topf werden nur Dinge gefördert, denen Expertenkommissionen eine für die Entwicklung des Landes strategische Bedeutung zumessen. Dafür stehen dann aber de facto unbegrenzte Mittel zur Verfügung. Kein Scherz. Es kostet, was es kostet, es dauert, so lange es dauert. Zur Einordnung: die Changzheng 9 wird aus diesem Topf gefördert, die bemannte Mondrakete Changzheng 10 wird dagegen von der Herstellerfirma aus Eigenmitteln vorfinanziert.

2. Das Wetter
Bis 2033 wird die Chinesische Raumstation noch mit einer Besatzung von drei Personen betrieben, die mit Shenzhou-Raumschiffen vom Kosmodrom Jiuquan aus anreisen. Dort ist auch immer eine Rettungsrakete stationiert, die innerhalb von 9 Tagen startklar gemacht werden kann. Da das Kosmodrom im trockenen Westen Chinas liegt und man von dort an 300 Tagen im Jahr starten kann, sind das meistens auch real 9 Tage, die Raumfahrer bei einer Beschädigung ihres eigenen Schiffs in der Station ausharren müssen, bis Rettung kommt.

Nach derzeitigem Stand 2034 ist die Station dann für sechs Personen ausgebaut, die als feste Gruppe mit dem Bemannten Raumschiff der neuen Generation anreisen. Das kann wegen des Durchmessers der Trägerrakete (5 m) nur von Hainan aus starten, wo man während der sommerlichen Taifunsaison schon mal ein bis zwei Wochen warten muss, bis ein {Rettungs)Flug möglich ist. Die Rakete muss ja nicht nur starten, sondern auch senkrecht zur Rampe gefahren und betankt werden. Du erinnerst Dich sicher an die Startverzögerungen bei Artemis 1.

Der für 10 Personen gedachte Raumgleiter startet dagegen vom Kosmodrom Jiuquan. Die Trägerstufe landet auf dem 250 km entfernten Regionalflughafen Badain Jaran, der Gleiter selbst 800 km westlich vom Kosmodrom auf dem Kernwaffentestgelände Lop Nor. Damit wäre erstens das Rettungsproblem gelöst, zweitens wird von der Firma gesagt, dass das Ding primär zur Versorgung der Raumstation gedacht ist; Weltraumtourismus und militärische Anwendungen sind Kollateralnutzen. Wenn die Entwicklung des Raumgleiters weiter so gut läuft wie bisher, wird die einst angekündigte boosterlose Version der Mondrakete für Flüge zur Raumstation möglicherweise nie gebaut.

Bei der senkrecht landenden Changzheng 8R ist die Situation komplizierter. Zur Veranschaulichung hier nochmal die Karte des zukünftigen Kosmodroms Wenchang:



Das kommerzielle Startgelände entspricht der Beschreibung der Betreiberfirma vom 20. März dieses Jahres, nur dass dort bei 0:33 zusätzlich zu den beiden Starttürmen für Flüssigkeitsraketen (Changzheng 8 etc.) nun von "zwei Startflächen für Feststoffraketen" (2个固体发射工位) die Rede ist:



Das sind dann wohl die beiden runden Flächen ganz oben, die letzes Jahr noch als Landeflächen bezeichnet wurden. Mit der senkrechten Landung kann es also noch dauern. Ich persönlich denke, dass man an der Technik sicher noch weiter arbeiten arbeiten wird, allein schon wegen der Landung von schweren Lasten auf fremden Himmelskörpern. Nur scheint das keine Priorität zu haben. Die Chinesische Akademie für Trägerraketentechnologie kommt bei einer ehrlichen Rechnung mit routinemäßiger Auswechslung von Komponenten, die nicht problemlos geprüft werden können, bei der Changzheng 8R auf Startkosten, die bei 80 % der Wegwerfversion liegen. 20 % Ersparnis ist nicht wenig, aber auch nicht besonders viel.

Offline Regnart

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Re: Chinas Raumfahrt
« Antwort #795 am: 10. April 2023, 09:43:29 »
Um nochmal auf die Changzheng 9 zurückzukommen, hier ist der neu gebaute Prüfstand für das Kerosin/Sauerstoff-Triebwerk YF-130 (4243 kN Schub auf Meereshöhe), das, wie seit 2016 geplant, bei der 1. Stufe der Rakete zum Einsatz kommen soll:


http://www.cnsa.gov.cn/n6758823/n6758838/c6842104/content.html

Man beachte:
Auf diesem Prüfstand in Shaanxi werden LOX/Kerosin-Triebwerke getestet, auf dem Prüfstand mit dem Grundstein-Foto oben in Hebei LOX/Wasserstoff-Triebwerke.

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Offline alepu

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Re: Chinas Raumfahrt
« Antwort #796 am: 10. April 2023, 10:11:57 »
Sieht ja nicht gerade wie ein Raketen-Triebwerks-Prüfstand aus.  ???

Offline Regnart

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Re: Chinas Raumfahrt
« Antwort #797 am: 10. April 2023, 10:52:20 »
Bei den beiden großen Öffnungen auf der linken Seite kommen die Flammen raus :D

Hier stellen die Ingenieure die Anlage vor:



Das ist leider alles nur auf Chinesisch, aber ab 0:55 kannst Du die Kerosin-Versorgung sehen, mit der 600 mm Förderleitung, und ab 1:45 die Flüssigsauerstoff-Versorgung.

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Offline alepu

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Re: Chinas Raumfahrt
« Antwort #798 am: 10. April 2023, 11:37:26 »
Muß beeindruckend aussehen, wenn da mal die Flammen rausschießen!
Beweist mir wieder einmal wie inovativ die Chinesen inzwischen denken und arbeiten.
Sind weit darüber hinaus immer nur zu imitieren.
Aber warum immer noch Kerosin?

Offline Regnart

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Re: Chinas Raumfahrt
« Antwort #799 am: 10. April 2023, 18:17:37 »
Die kurze Antwort lautet: wegen der einfacheren Handhabbarkeit.

Nun die lange Antwort:
Das Institut für Mechanik der Chinesischen Akademie der Wissenschaften (also Grundlagenforscher) hat seit 1961 durchaus nicht unerfolgreich an LOX/Wasserstoff-Triebwerken gearbeitet. 1970 war die Technik mehr oder weniger ausgereift und die weiteren Arbeiten wurden den Ingenieuren von der heutigen Akademie für Flüssigkeitsraketentriebwerkstechnik übertragen. Seit 1984 werden Wasserstofftriebwerke bei realen Flügen eingesetzt, wobei es allerdings immer wieder Fehlschläge gab, die zum Scheitern der Missionen führten:
https://de.wikipedia.org/wiki/YF-75#YF-73

Man braucht die Wasserstoff-Triebwerke wegen des hohen spezifischen Impulses, aber wo man sie vermeiden kann, vermeidet man sie.

Mit Methan hat man zwischen 1986 und 1988 experimentiert, das dann aber zugunsten von Kerosin zunächst aufgegeben. Die hier aufgelisteten Gründe entsprechen der damaligen Reihenfolge/Wichtigkeit:
https://de.wikipedia.org/wiki/YF-100#Geschichte

2010 hat man Methan dann wieder aufgegriffen, und das YF-209 funktioniert bei den bisherigen Tests ganz gut. Es ist aber noch nicht einsatzbereit:
https://de.wikipedia.org/wiki/YF-Raketentriebwerke#YF-209

Hydrazin-Triebwerke sollten nach einem Plan von 1988 wegen der Toxizität und hohen Kosten des Treibstoffs eigentlich ausgemustert werden:
https://de.wikipedia.org/wiki/Langer_Marsch_5#Geschichte

Davon ist heute keine Rede mehr. Hier siehst Du eine Liste der Triebwerke, die man momentan entwickelt:
https://de.wikipedia.org/wiki/YF-Raketentriebwerke#Acht_Jahre_Neun_Triebwerke

Zwei der neun Triebwerke arbeiten mit Hydrazin (nicht vergessen: seit dem 3. November 2022 hat die CMSA eine betriebsbereite Hydrazin-Tankstelle im Orbit)
Zwei Triebwerke sind Methan-Triebwerke
Zwei Triebwerke sind Wasserstoff-Triebwerke
Drei Triebwerke sind Kerosin-Triebwerke

Man hält sich alle Optionen offen und verdammt von vornherein keinen Treibstoff.

Wie gesagt, das da oben ist nur einer von mehreren Prüfständen. Es gibt einen weiteren Kerosin-Prüfstand in den Bergen südlich von Xi’an, wo auch die Methan-Triebwerke getestet werden:


http://www.htzd.org/wap/jyqyml/2444.html

Auf der anderen Seite dieser Berge, ganz weit weg von der Stadt, liegt der Prüfstand für Hydrazin-Triebwerke:


http://www.xibujuece.com/m/view.php?aid=78742

Und im Südwesten von Peking liegt der alte Prüfstand für Wasserstoff-Triebwerke:


https://zhuanlan.zhihu.com/p/584468647