Planetenentstehung

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Online Schillrich

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Re: Planetenentstehung
« Antwort #100 am: 15. April 2010, 09:43:53 »
In der Meldung des ESO wird noch spekuliert, dass sich in diesen Systemen mit stark inklinierten Hot Jupiters wahrscheinlich keine enger umlaufenden, erdähnlichen bzw. generell keine kleinen Gesteinsplaneten halten könnten.

Hintergrund wäre ein Prozess, dass sich die "Jupiters" weit draußen in der Staubscheibe bilden und dann durch gravitative Störungen auf inklinierten und exzentrischen Bahnen landen, die weit ins Inner des Systems reichen. Der Wanderprozess nach innen, so dass sie Hot Jupiters werden, dauert dann deutlich länger. Damit würden sie auch länger die Entwicklung von kleinen Gesteinsplaneten stören, bzw. ganz verhindern, oder sie hinauskegeln.

Dann wären wir hier im Sonnensystem "anders", aber nicht zwingend ein Sonderfall. Immerhin haben wir noch Auswahleffekte in unseren Beobachtungstechniken und Stichproben, so dass wir noch nicht auf "das Normale" schließen können.
\\   //    Grüße
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Online Schillrich

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Re: Planetenentstehung
« Antwort #101 am: 15. April 2010, 10:36:00 »
Noch eine andere Idee, wobei ich nicht weiß wie plausibel das wäre:

Könnten die betroffenen Sterne im Nachhinein durch externe Effekte ihre Rotationsachse gekippt haben? Im Allgemeinen ergäbe sich dann aber keine momentenfreie Bewegung mehr, sondern ein Taumeln.
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H.J.Kemm

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Re: Planetenentstehung
« Antwort #102 am: 15. April 2010, 11:07:45 »
Moin Daniel,

das erscheint mir eher unwahrscheilich, denn wenn das in solch einem System geschehen sein sollte, dann müsste das ja durch *irgendetwas* ausgelöst worden sein. Ein dicht vorbeiziehender anderer Stern würde dann ja wohl das ganze System sprengen und der Exo wäre dann nicht mehr da.

Ich denke eher, dass jeweils ein entfernter Begleiter (auch Exo) dieses Prozedere bewirkt haben sollte. Bei 2 sind ja Begleiter gesichtet worden die Verursacher sein könnten. Falls die anderen 4 auch noch Begleiter haben, könnte es eine Lösung geben. Denn da könnten Bahnstörungen entstehen und dadurch kommt es dann möglicherweise zu Instabilitäten im System.

Vorläufig wird aber viel spekuliert.

Jerry

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Online Schillrich

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Re: Planetenentstehung
« Antwort #103 am: 15. April 2010, 11:13:30 »
Ich konnte es aus der Meldung leider nicht entnehmen:

Hat man in jedem der betroffenen System bisher nur einen Planeten gefunden? Oder kennt man noch andere Planeten um diese Sterne?
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H.J.Kemm

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Re: Planetenentstehung
« Antwort #104 am: 15. April 2010, 11:17:24 »
Moin Daniel,

Bei 2 der neuentdeckten rückläufigen Planeten hat man tatsächlich zusätzliche, weiter entfernte Begleiter gefunden, die die ungewöhnliche Orientierung der Umlaufbahn verursacht haben könnten. Diese neuen Funde werden eine intensive Suche nach weiteren Himmelskörpern in den anderen Planetensystemen auslösen.

Jerry

Cosmo

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Re: Planetenentstehung
« Antwort #105 am: 15. April 2010, 22:13:42 »
was mir dabei auffällt ist, dass jetzt auf einen Schlag 6 Exos entdeckt worden sind, die eine andere Drehbewegung haben entgegen dem bisherigen Modell der Planetenentstehung in protoplanetaren Scheiben. Und das sind alles Transitplaneten.

Nach meiner Listung sind bisher 73 Exos mit Transit in 73 Planetensystemen entdeckt worden und die scheinen alle *normal* zu sein und jetzt kommen 6 Exoten.

Hallo Jerry,

du hast Dir die Antwort bereits selbst gegeben:
... Entdeckung von 9 neuen Exoplaneten ... nähere Untersuchung dieser und 18 Hot Jupiter weiterer Transitplaneten ... 6 der Planeten umrunden ihren Mutterstern nicht in derselben Richtung, in der sich der Stern um seine eigene Achse dreht ...

Es sind somit 6 von 27 Hot Jupiters auf retrogradem Orbit.

Ich bleibe dabei was ich schonmal im Thread "Objektdaten Sonnensystem" zur Planetenentstehung geschrieben habe:
Meiner Meinung nach sind die Gasriesen samt Monde als eigene kleine Systeme innerhalb der protoplanetaren Scheibe entstanden und zeigen dabei eine zufällige Drehimpulsrichtung. Denn warum soll der Drehimpuls aller Planeten in die gleiche Richtung zeigen wie der unserer Sonne? Das würde im grösseren Bild bedeuten das der Drehimpuls aller Sonnen in der Milchstrasse zum galaktischen Pol zeigt, und das ist ja nicht der Fall. Schon unsere Ekliptik ist stark geneigt gegenüber der Milchstrassenebene, andere. Genausowenig sind die Galaxien einer lokalen Gruppe alle gleich orientiert.

Wenn man das ausweitet auf einen noch früheren Status der Sternentstehung könnte es eine Möglichkeit sein die vielen retrograden und zugleich massereichen Objekte wie Hot Jupiters zu erklären. Dazu passt auch eine neuliche Meldung eines etwas seltsam anmutenden Sternsystem (brauner Zwerg) mit einem ziemlich massreichen Planeten (mehrere Jupitermassen) als Begleiter. Leider finde ich die Meldung gerade nicht, vielleicht kann ich sie nachreichen.
Wir wissen heute lediglich das die Standardtheorie über die Entstehung unseres Sonnensystems nicht auf die meisten anderen heute bekannten Sternensysteme anwendbar ist. Es müssen also ein paar neue Theorien her. Ich bin der Meinung dass es mehrere Wege gibt wie Sternensysteme entstehen können. Eine Möglichkeit könnte sein was ich oben geschrieben habe.

Gruss,
Cosmo

Cosmo

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Re: Planetenentstehung
« Antwort #106 am: 16. April 2010, 00:52:40 »
Dazu passt auch eine neuliche Meldung eines etwas seltsam anmutenden Sternsystem (brauner Zwerg) mit einem ziemlich massreichen Planeten (mehrere Jupitermassen) als Begleiter. Leider finde ich die Meldung gerade nicht, vielleicht kann ich sie nachreichen.

Hier die entprechende Meldung von Jerry und hier auf englisch. Es handelt sich um einen braunen Zwerg (etwa 20 Jupitermassen) um den in etwa 25 Astronomischen Einheiten (etwa 5 facher Abstand des Jupiters zur Sonne) ein Objekt kreist mit etwa 5 bis 10 Jupitermassen. Das ganze System ist erst etwa 1 Million Jahre alt, also bei weitem keine Zeit für die Verklumpung von Materie, darüberhinaus gibt es dort kaum Materie, da ja nur ein brauner Zwerg entstand.

Cosmo

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Online Schillrich

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Re: Planetenentstehung
« Antwort #107 am: 16. April 2010, 07:06:20 »
Hallo Cosmo,

so "einfach" kann es eigentlich nicht sein. Natürlich herrschen Zufallsprozesse bei der aktuellen Bildung eines Planeten, seiner Rotation und seines Orbits. Aber, das große herrschende Prinzip ist immer noch die Drehimpulsherhaltung.
Wenn immer noch gilt, dass eine kollabierende Staubwolke zu einer rotierenden Scheibe kontrahiert, dann gibt es einen Gesamtdrehimpuls aller Massen, aus denen das entstehende System bestehen wird. Wenn jetzt ein Planet zufällig eine Rotationsachse "wählt", dann haben andere Körper im System zufällig die "passende Gegenrotation". Im Mittel muss sich das Ganze aufheben.

Bei der Ausbildung von Orbits ist das noch extremer. Wenn ein Planet Drehimpuls für einen inklinierten Orbit erhält, dann haben ein oder mehrere Planeten im System genau das Gegenteil erhalten, müssen anders inkliniert sein, da sich der Gesamtdrehimpuls zwischen den Partnern im Betrag und in der räumlichen Orientierung aufgeteilt hat.
Theoretisch ist das möglich, aber gerade retrograde Orbits kann ich mir bei so einem gegenseitigen Austausch gar nicht vorstellen.

Wirklich Änderungen des Drehimpuls sind nur möglich, wenn etwas "von außen" auf das System einwirkt, wenn man quasi die Grenzen des Systems erweitert. Dann kann ein passierender Stern die Rotation von Planeten und deren Orbits "durcheinander" wirbeln, erhält aber selbst die "Quittung" dafür in seiner Rotation. Was er an Drehimpuls aus dem System abzieht, nimmt er selbst auf seiner hyperbolen Bahn mit in die Unendlichkeit, bzw. das was er an Drehimpuls liefert, bringt er aus der Unendlichkeit mit*.

Lange Rede, kurzer Sinn:
Ja, es wirken Zufallsprozesse, aber das ist nicht alles und reicht nicht zur Erklärung. Es muss ein Nullsummenspiel aller beteiligten Massen bleiben**.



* Das ist praktisch das, was der verbrannte Treibstoff bei Satelliten/Sonden/Raumschiffen beim Manövrieren macht: Impuls in die Unendlichkeit (aus Sicht des Satelliten) mitnehmen.

**Außer wir finden irgendwo den "großen Beweger" ...
\\   //    Grüße
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H.J.Kemm

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Re: Planetenentstehung
« Antwort #108 am: 16. April 2010, 08:02:57 »
Moin Cosmo und Daniel,

wir hatten auf unserem Treff von RCbW nur ein Thema: Planetenentstehung - und da kamen zu den *retrograden Exos* neue Gedanken dazu:

1.

Diese Skizze habe ich ganz schnell bei dem Gespräch gemacht. Es soll darstellen, wie der Exo vom Stern A im Verlaufe von ~ 100 Mio Jahren *abgezogen* wurde - so ist ja zumindest eine Theorie.

Da kam bei uns die Frage auf: Wenn der Exo von Stern A zu Stern B wandert und dort ankommt, wie muss sich nach den uns bekannten physikalischen Gesetzen sein Orbit einstellen?

2. Wenn man genau wüsste wann dieses *Wechselspiel* von Stern A zu Stern B der Flugbahnumkehrung erfolgte und wo (oberhalb oder unterhalb des galaktischen Äquators) sich dieses Ereignis abgespielt hat. Es wird ja angenommen, dass beim Wechsel von *oben nach unten bzw. unten nach oben
*Stern-/Planetensysteme* durchgerüttelt werden. Es könnte doch also auch sein, dass der Heimatstern seine Nord-Südlage zwangsweise getauscht hat - dann wäre doch die jetzt umgekehrte Laufrichtung zu begründen. (Haben wir mit einem Golfball getestet).

Jerry

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Online Schillrich

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Re: Planetenentstehung
« Antwort #109 am: 16. April 2010, 08:21:32 »
Hallo Jerry,

interessant Idee. Für das Beispiel kann man Analogien aus der Orbitmechanik unserer Raummissionen ziehen. Was du da skizziert hast, ist quasi der Flug von Apollo zum Mond. Die waren am Mond dann auch retrograd unterwegs.

Abstrahieren wir etwas:
Wir haben die beiden schweren Objekte A und B und ein kleines Objekt c. c kreist um A und B kommt "vorbei". Bei diesem direkten (skizzierten) Fall muss c zum rechten Zeitpunkt in der "Nähe" von B sein. Leider bleibt c da bei so direktem Weg nicht von alleine, sondern fällt auf seiner Ellipse zu A zurück. c müsste in der Nähe von B ein Manöver ausführen, um mit ihm mitzufliegen, wie auch bei Apollo.

Was hingegen auch möglich ist, sind sog. cravity-captures. Die ergeben sich aus dem N-Körperproblem (N>3, nach meinem Wissen) und beschreiben u.a. auch wie Saturn und Jupiter kurzzeitig Monde gewinnen und wieder verlieren. Dabei kommt der kleine Körper c auf komplexen und langen Bahnen (nicht direkt auf der Ellipse) so in die Nähe von B, dass nur geringe Geschwindigkeitsdifferenzen herrschen und c von B eingefangen wird.

Aber, solche gravity-captures sind im Allgemeinen nicht stabil. Genauso leicht, wie man gefangen wird, fliegt man bei Störungen auch wieder davon. Selbst da müsste also ein kleines Manöver geflogen werden.

Für das System Erde-Mond-Sonne hatte die Raummission MUSES-B/HITEN so eine Flugbahn bekommen.
« Letzte Änderung: 16. April 2010, 11:46:34 von Schillrich »
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klausd

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Re: Planetenentstehung
« Antwort #110 am: 16. April 2010, 10:16:42 »
Jupp, der Planet würde durch Stern B quasi nur einen Swing by machen. Dadurch verändert er aber nicht seine Geschwindigkeit bezüglich B. Oder seh ich das falsch?

Gruß, Klaus

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Online Schillrich

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  • 19608
Re: Planetenentstehung
« Antwort #111 am: 16. April 2010, 10:25:54 »
Genau,

c führt an B einen hyperbolen Flyby durch, da B an A hyperbol vorüberzieht.
Der hyperbole Flyby von c ist dadurch gekennzeichnet, dass er aus Sicht von B nur die Geschwindigkeitsrichtung, nicht aber den Betrag ändert, in anderen Worten: Aus Sicht von B entfernt sich c genau so schnell wie es angekommen ist, nur in eine andere Richtung, und kann deswegen nicht eingefangen werden.
Aus Sicht von A hingegen ändern sich Richtung und Betrag des Geschwindigkeitsvektors von c, d.h. der Orbit von c um A wird durcheinandergewirbelt.


(Mhh ... zu viele Abkürzungen ;))
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klausd

  • Gast
Re: Planetenentstehung
« Antwort #112 am: 16. April 2010, 12:53:08 »
klingt schon fast wie eine Fallstudie von Juristen. ;D Person A, B, C...

DerSteff

  • Gast
Re: Planetenentstehung
« Antwort #113 am: 16. April 2010, 13:08:50 »
Nabend,

ich denke dass hier auβer Acht gelassen wird, dass Sterne in der Regel in sog. Sternencluster "geboren" werden. Wenn die Planetenbildung ein Nebeneffeckt der Sternenbildung ist, werden also auch diese schon im Cluster ihre Formen angenommen haben.

Ich kann mir gut vorstellen, dass es innerhalb solcher Cluster zu Wechselwirkungen gekommen ist. Hierzu gibt es einen guten Bericht in der Spektrum der Wissenschaft 03/10 "Auf der Suche nach den Geschwistern der Sonne". Dabei wird die Problematik von verschobenen Bahnebenen allerdings nur kurz angesprochen. Dass solche Effekte bei sehr engen Clustern dementsprechend stark ausfallen können, halte ich durchaus für möglich. Da ja bis jetzt der "Geburtsort" der betroffenen Sterne (meins Wissens nach) noch nicht geklärt ist, sind dies allerdings auch nur Spekulationen.
Leider würde dies auch nicht die rückläufigen Drehrichtungen erklären. Allerdings könnten diese Effekte auch in einem gewissen Maβe zur Entstehung dieser schrägen Bahnen beigetragen haben.

In diesem Sinne

MFG Steff

Cosmo

  • Gast
Re: Planetenentstehung
« Antwort #114 am: 16. April 2010, 23:56:03 »
Hallo,

zuerst möchte ich folgendes ausgezeichnetes Bild noch einmal posten, ursprünglich bereits von Jerry in dem von mir weiter oben verlinkten Thread gepostet:


Dieses Bild verdeutlicht alle relevanten Aspekte der Planetenentstehung sehr gut. Leider ist mir dieses Bild gestern Abend nicht weiter aufgefallen, deswegen hatte ich dazu nichts geschrieben.
Auf dem Bild sind 3 Möglichkeiten dargestellt wie Planeten (bzw auch Sterne als Begleiter) entstehen können. In der oberen Abbildung ist die klassische Kern-Akkretions Theorie dargestellt, so wie wahrscheinlich alle Planeten in unserem Sonnensystem entstanden, nach weitläufiger Meinung und allgemein akzeptiert. Jupiter stellt vielleicht noch Ausnahme dar, aber soweit passt eigentlich alles perfekt. Jedoch können die meisten bisher entdeckten Exoplaneten kaum so entstanden sein, da sind sich die Wissenschaftler einig. Entweder weil nicht genug Masse vorhanden ist/war, oder zu wenig Zeit, oder beides.
Dieses Problem löst die mittlere Abbildung im oberen Bild. Und es stellt genau das dar was ich in dem oberen Posting sagen wollte. Die Gasriesen entstehen als eigene kleine Systeme. Vielleicht habe ich mich schlecht oder unzureichend ausgedrückt, ich bin mir aber sicher das diese mittlere Abbildung hier etwas Licht ins Dunkel bringt: In der protoplanetaren Scheibe kollabiert ein Teilbereich in sich zusammen und es entsteht so etwas wie ein kleines "Sternensystem": zum Beispiel Jupiter mit seinen Monden. Mit dieser Theorie kann man die Gasriesen mit Massen grösser als Jupiter erklären, auch Hotjupiters welche später zum Stern wanderten. Aber wiederum kann man nicht erklären warum man relativ viele retrograde Hot Jupiters gefunden hat. Hier möchte ich noch anmerken, das nicht nur 6 von 27 untersuchten Hot Jupiters einen retrograden Orbit haben, sondern mehr als die Hälfte eine hohe Inklination aufweisen. Es gibt also nicht nur "schwarz" und "weiss", sondern auch viele "Graustufen" die einer Erklärung bedürfen.
Diese retrograden Hot Jupiters sollten eigentlich nur durch "externe" Effekte entstehen können, aufgrund der Drehimpulserhaltung, oder durch planetares "Billard". Eine Möglichkeit wäre also das Einfangen. Eine andere Möglichkeit wäre es, wenn man die Kollabierung von Teilbereichen der protoplanetaren Scheibe auf einen noch früheren Zeitpunkt legt, nämlich als die protoplanetare Scheibe noch eher eine Molekülwolke war. Wenn bereits in diesem Zustand die Molekülwolke in mehreren Teilbereichen ebenfalls kollabiert (bzw erst fragmentiert und diese Fragmente dann in sich kollabieren), und übergeordnet die gesamte Molekülwolke (also alle Fragmente) ebenso in sich kollabiert, dann könnte man damit nicht nur die vielen Mehrfachsternsysteme erklären, sondern auch die retrograden Hot Jupiters sowie Sternensysteme wie 2M044144 wo ein 10 Jupitermassen "Planet" einen 20 Jupitermassen "Stern" umkreist. Diese Möglichkeit der Entstehung ist in der unteren Abbildung dargestellt.


Zum Thema Planetenentstehung und Drehimpulserhaltung ein paar Anmerkungen von mir:
Der Grossteil des Drehimpulses steckt weder im Rotationsdrehimpuls des Sternes noch der Planeten, sondern im Bahndrehimpuls der Planeten. Und dieser Bahndrehimpuls ist völlig unabhängig von der Entstehung eines Planeten, also ob akkretiert oder kollabiert. Und all meine oberen Aussagen und Postings beziehen sich nur auf Gasriesen, nicht auf Neptun-artige Planeten und erst recht nicht auf terrestrische Planeten. Die Entstehung letzterer ist denke ich ausreichend geklärt (Staub --> Verklumpung --> Planetesimale --> Zusammenstösse --> terrestrische Planeten).
Drehimpuls kann übrigens auch durch mechanische (Viskosität) und magnetische (Ionisierung) Interaktion umgewandelt werden, ein vielleicht durchaus normaler Prozess bei der Planetenentstehung (Masse nach innen, Drehimpuls nach aussen).


Wenn jemand Informationen zu den 3 Modellen aus dem Bild findet bitte posten, denn ich habe nur wenig zu den unteren beiden finden können, würde mich aber freuen mehr darüber zu lesen.


Cosmo

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Online Schillrich

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  • 19608
Re: Planetenentstehung
« Antwort #115 am: 17. April 2010, 00:29:53 »
Hallo Cosmo,

danke für die ausführliche Darstellung. So kann ich deine Aussagen besser einordnen. Das letzte Modell kann ich mir schwer vorstellen, bin aber auch kein Experte in dem Gebiet. Ich halte es noch für wahrscheinlicher, dass sich eine Scheibe bildet und dann durch "Billard" mit externen die Bahnen gewürfelt werden. Bei "zu vielen" einzelnen, kollabierenden Teilwolken kann ich mir nicht vorstellen, wie dann genug Masse so "ordentlich" verteilt wird, dass sich Stern, Großplaneten und Kleinplaneten bilden können.

Gibt es denn aussagekräftige Simulationen, die das Fragmentieren und einzelne Kollabieren nahelegen? Ich frage mich gleichzeitig immer noch wie gut unsere "Stichprobe" der beobachteten Systeme ist, bzw. bin da vorsichtig.

Aber ein was muss ich noch nachfragen:
Zitat
Drehimpuls kann übrigens auch durch mechanische (Viskosität) und magnetische (Ionisierung) Interaktion umgewandelt werden, ein vielleicht durchaus normaler Prozess bei der Planetenentstehung (Masse nach innen, Drehimpuls nach aussen).

Was meinst damit? Ich denke nicht das, was ich zuerst verstanden: Viskosität vernichtet Impuls. Aber was meinst du dann?
\\   //    Grüße
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H.J.Kemm

  • Gast
Re: Planetenentstehung
« Antwort #116 am: 17. April 2010, 08:55:19 »
Moin Cosmo, moin Daniel,

ich hatte vor einigen Jahren mir dies Bild aus einem Beitrag einer Uni (PdF) rauskopiert weil ich dazu eine Frage hatte: In dieser planetaren Scheibe gibt es einen zusätzlichen Wirbel - entsteht da ausser dem Protostern noch ein weiterer Stern oder werden da Planeten geboren?


Bild aus meinem Archiv - vor ~ 5 Jahren aus einem Uni-Bericht kopiert / Sternentstehung im Orion-Nebel

Eindeutig ist links neben dem Zentrum (blauer Fleck) ein Wirbel in der protoplanetaren Scheibe zu sehen.

Hilft uns dies Bild weiter?

Jerry

Cosmo

  • Gast
Re: Planetenentstehung
« Antwort #117 am: 27. April 2010, 23:16:46 »
Hallo Schillrich,

Im nachhinein muss ich sagen dass mein von dir zitierter Satz ziemlich schlecht formuliert ist. Was ich eigentlich sagen wollte ist, dass Drehimpuls bei der Stern/Planetenentstehung nach aussen wandert (wandern muss) während die Masse durch Akkretation nach innen wandert, allein gemäss der Drehimpulserhaltung. Auch müssten Sterne und Planeten sonst deutlich schneller rotieren. Auf das Problem ist man ebenfalls bei Pulsaren gestossen, welchen laut Modellen (Drehimpulserhaltung) schneller rotieren sollten als man es beobachtet (bis zu wenigen Grössenordnungen Unterschied). Es muss also Prozesse geben welche Drehimpuls nach aussen transportieren.
Bei rotierenden Gas/Staubscheiben erfolgt dieser Transport z.b aufgrund der Viskosität. Der innere Bereich rotiert deutlich schneller als der äussere (höhere Winkelgeschwindigkeit). Durch Zusammenstösse (Viskosität) wird Drehimpuls von den inneren Teilchen auf die äusseren übertragen, die inneren fallen noch weiter nach innen. Während die äusseren weiter nach draussen gelangen, oder doch nicht? Durch die grössere Masse im Zentrum erhöht sich die Gravitation, und der Drehimpuls des äusseren Teilchens steigt bereits durch die nun höhere notwendige Orbitgeschwindigkeit. Das äussere Teilchen muss also gar nicht so viel weiter raus.


@ Jerry
Ausgezeichnetes Bild! Hast du nähere Informationen was wir dort sehen (Sternentstehungsgebiet, Nebel, etc.)?


Gruss
Cosmo

H.J.Kemm

  • Gast
Re: Planetenentstehung
« Antwort #118 am: 28. April 2010, 03:07:28 »
Moin Cosmo,

Ausgezeichnetes Bild! Hast du nähere Informationen was wir dort sehen (Sternentstehungsgebiet, Nebel, etc.)?

Mehr habe ich damals nicht notiert: Orion-Nebel M 42, protoplanetare Scheibe mit schon entstandenem Stern, zusätzlich noch ein Wirbel in der Scheibe - was entsteht daraus?

Jerry

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Online Schillrich

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  • 19608
Re: Planetenentstehung
« Antwort #119 am: 28. April 2010, 08:11:07 »
Hallo Cosmo,

ich will nicht zu sehr "drauf rumreiten" ;).

Ich habe etwas "Bauchschmerzen" mit der Formulierung, dass Drehimpuls nach außen wandert. Das ist ja nur eine rechnerische Größe. Die Teilchen können wandern. Der Drehimpuls an sich (in der Summe) bleibt ja konstant und hat keinen geometrischen Ort, nur eine Richtung.

Die Formulierung:
Zitat
Durch die grössere Masse im Zentrum erhöht sich die Gravitation, und der Drehimpuls des äusseren Teilchens steigt bereits durch die nun höhere notwendige Orbitgeschwindigkeit.
finde ich auch problematisch. Nur durch die Erhöhung der Gravitation erhöht sich kein Drehimpuls (weder in der Summe noch lokal). Der Orbitpartner wird ja nicht von selbst schneller.

Aber, wenn wir auf Partikelgröße argumentieren, kann man die Wolke/Scheibe fast als homogenes Kontinuum sehen, wodurch bei Veränderungen in der Bewegung einzelner Partikel quasi eine Kettenreaktion angeregt wird. Wenn jetzt an einem Ort ein schnelles Teilchen mit einem langsameren Partner kollidiert und beide so Impuls austauschen, dann fällt das eine Teilchen verlangsamt etwas nach innen und das beschleunigte steigt etwas nach außen. Aber das war es dann noch nicht. Beide treffen an ihren neuen Orten jeweils wieder auf Partner. Das nach innen fallende Teilchen trifft dort aller Wahrscheinlichkeit nach auf schnellere Partner und wird wieder angeschubst und gewinnt Impuls. Das nach außen steigende Teilchen trifft auf langsamere Teilchen und verliert wieder Impuls.
Jetzt müsste man sich die Verteilung der Parameter bei diesen Stößen anschauen. Aber es sollte grob ein Nullsummenspiel sein. Nur an den Grenzen der Scheibe passt diese Annahme nicht mehr (daher nehmen wir mal eine "infinite plane of uniform density" ...  ;) 8)).

Im Mittel kann es so keine Separation und Ausdifferenzierung der Scheibe von selbst geben (und so hatte ich dich verstanden), zumindest so lange man nur Impulsaustausch in einer homogenen Scheibe betrachtet. Lokale Kraftfelder/Potentiale durch Zusammenballung und beginnende Resonanzeffekte zusammen mit Autokorrelation von zufälligem (verrauschten) Wechselwirkungen über die Zeitreihe hinweg sind dann quasi Modelle "höherer Ordnung" mit neuen Effekten, welche das Nullsummenspiel zerstören.
\\   //    Grüße
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Offline Matjes

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Re: Planetenentstehung
« Antwort #120 am: 29. April 2010, 17:50:36 »
Hallo Leute

über die Frage des Drehimpulstransport im frühen Sonnensystem oder wieso sich Teilchen so bewegen, daß ... gibt es heute viel Rätselraten.
In der KITP-Konferenz (siehe:http://online.kitp.ucsb.edu/online/exoplanets_c10) gab es einen Vortrag von Anders Johansen, der sich nicht mit genau diesem Problem, aber mit dem Wachstum von Planetensimalen beschäftigte. Es ist immer wieder merkwürdig, wie Fragen in der Naturwissenschaft neue Überschriften bekommen.

Die Theorie der Planetensimale ist entstanden ca. 1969 in Rußland (Victor Safronov). Berühmt wurde die Meter-Barriere, da man gut erklären kann wie sich 1,5% Staub in einer turbulenten Strömung einer Gasscheibe (98,5%) zu cm großen Objekten sammelt. Es sind elektrostatische Kräfte verantwortlich. Aber dann? Wenn die Objekte erst einmal km groß sind übernimmt die Gravitation. Aber wie kommem wir von cm zu km.
 
2005 wurde von Youdin und Goodman eine Lösung vorgeschlagen. Die Überschrift heißt: Strömungsinstabilitäten in einer turbulenten protoplanetaren Scheibe.
In der protoplanetaren Scheibe übt Gas einen kleinen aber nicht zu vernachlässigenden Druck aus. Die Gasteilchen rotieren dadurch um den Protostern langsamer als Kepler es vorgesehen hatte. Die kleinen Planensimale in cm Größe spüren diesen Gasdruck aber nicht. Sie rotieren um die Sonne nach Kepler. Für das Staubteilchen fühlt es sich so an, als ob ein Wind von vorn kommt. Dadurch spiralt Staub nach innen. Bis es auf ein Gebiet trifft, wo so viele Teichen schon zusammen sind, daß es ihnen gemeinsam gelingt, das Gas zu beschleunigen oder zumindest sich gemeinsam durch das Gas zu bewegen. Z.B. wie eine Gänseformation oder ein Feld von Radfahrern bei der Tour de France.

Dann hätte man mehrere wichtige Probleme erklärt. Wie spiralt Staub in einen Gasscheibe nach innen und Gas nach außen. Wie wird die Meter-Barriere für die Planetensimale überwunden.

Gruß
Matjes

websquid

  • Gast
Re: Planetenentstehung
« Antwort #121 am: 03. Oktober 2010, 16:00:43 »
Ein Forscherteam hat etwas Auffälliges in der Größenverteilung der Kleinkörper (Planetesimale) in unserem Sonnensystem entdeckt. In allen vier stabilen Reservoirs (Hauptgürtel, Jupiter-Trojaner, Neptun-Trojaner und Kuiper-Gürtel) findet man kaum Objekte mit einem Radius zwischen 35 und 50km. Sowohl kleinere als auch größere Objekte wurden in weit höherer Anzahl gefunden als solche mittelgroßen Körper.

Hierbei sprechen die Autoren der Studie, Scott S. Sheppard und  Chadwick A. Trujillo, von MISPs (Missing Intermediate Sized Planetesimals). Die Tatsache, dass diese überall fehlen, spricht dafür, dass es einen Zusammenhang mit der Bildung der Planetesimale gibt.

Vermutet wird von den Autoren, dass sich sehr schnell große Objekte aus der Staubscheibe gebildet haben, die fast alles Material aufgenommen haben. Diese Objekte sind demnach die heutigen Himmelskörper >50km Radius. Die kleinen Objekte, die man in großer Zahl nachweist (<35km Radius) sind demnach Splitter, die bei Kollisionen großer Himmelskörper entstanden, oder bei der Entstehung großer Himmelskörper übrig geblieben.

Die ISPs wären demnach in der Frühgeschichte des Sonnensystems schnell dieser Größe entwachsen und würden sich nur sehr selten als Splitterprodukte bilden. Daher fehlt diese Größenklasse heute weitgehend.

Quelle:arxiv

mfg websquid

Re: Planetenentstehung
« Antwort #122 am: 28. Oktober 2010, 14:59:17 »
Hallo websquid  :)

Gibt es zu deinem Beitrag auch einen etwas ausführlicheren Artikel in deutsch.
Ich würde mich darüber echt freuen.

Liebe Grüße René
"Fantasie ist wichtiger als Wissen, denn wissen ist begrenzt." Albert Einstein

"Es ist Alles möglich im Universum, Hauptsache es ist genügend unvernünftig." Nils Bohr

Homepage: http://antimaterie-stern.simplesite.com/

websquid

  • Gast
Re: Planetenentstehung
« Antwort #123 am: 28. Oktober 2010, 16:27:19 »
Ich glaube nicht, mir ist zumindest nirgendwo ein deutscher Artikel dazu aufgefallen :-\
Sieht so aus, als ob das hier der umfangreichste Bericht dazu wäre ;)
Wenn du mehr wissen willst, musst du wohl wirklich mit dem englischen vorlieb nehmen.

mfg websquid

Re: Planetenentstehung
« Antwort #124 am: 28. Oktober 2010, 17:48:15 »
Ich glaube ich hab gerade den Orginalartikel gefunden
Allerding nicht auf deutsch  :-\
http://arxiv.org/PS_cache/arxiv/pdf/1009/1009.5990v1.pdf
Gruß
"Fantasie ist wichtiger als Wissen, denn wissen ist begrenzt." Albert Einstein

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