Interstellare Objekte

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Re: Interstellare Objekte
« Antwort #300 am: 03. Juli 2025, 10:26:02 »
Vom 1. Juli bis 31.10. sind es satte rund 3,9 Millionen km pro Tag. Ich komme da auf rund 45 km/sec als Durchschnittsgeschwindigkeit für die 4 Monate. Die Höchstgeschwindigkeit wird deutlich höher sein.
Verstehe auch nicht, wie er jetzt schon bei 58km/s sein kann.
Ich komme als Durchschnittsgeschwindigkeit ebenfalls auf ca. 44,78 km/s, wenn man linear von der jetzigen Position bis zum Perihelion rechnet. Entweder ist die Bahn viel viel krummer als auf der oben stehenden Grafik angezeigt, oder die Angabe kann nicht stimmen, oder ich übersehe etwas anderes?

Offline radi

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Re: Interstellare Objekte
« Antwort #301 am: 03. Juli 2025, 10:27:47 »
Quelle dort ist JPL: https://ssd.jpl.nasa.gov/tools/sbdb_lookup.html#/?sstr=1004083&view=OPC

Das kann ich dort aber nirgendwo erkennen. Das einzige was man findet ist die Geschwindigkeit beim passieren der Jupiterbahn im März 2026 mit 65,94km/s relativer Geschwindigkeit.

Offline failsafe

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Re: Interstellare Objekte
« Antwort #302 am: 03. Juli 2025, 11:07:11 »
Die Geschwindigkeitsangaben sind nicht ganz eindeutig: Geschwindigkeit relativ zu was ? Zum Sonnenzentrum ? Zum galaktischen Zentrum ? Zur Erde ? Zu Jupiter ("Geschwindigkeit beim Passieren der Jupiterbahn im März 2026 mit 65,94km/s relativer Geschwindigkeit.")?
Sinnvoller wäre zB die Angabe der hyperbolischen Exzessgeschwindigkeit (im Sonnensystem).

Offline thunder5

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Re: Interstellare Objekte
« Antwort #303 am: 03. Juli 2025, 12:33:41 »
Aber es scheint ja doch mehr davon zu geben als man anfangs gedacht hat.
Warum sollte es wenige davon geben? Die existieren sicher massenhaft. Da reicht schon ein passender Swing-by an einem massereichen Exoplaneten - und raus bist du.
Die Crux ist eher die riesigen Abstände zwischen den Sternsystemen, bis so ein Objekt mal das Sonnensystem trifft. Mit dem Abfangen wird es auch schwierig - die Inklination könnte hoch sein, die Geschwindigkeit zu groß, die Zeit des Entdeckens zu spät - man hat dann keine Chance mehr (mit den heutigen Techniken) es zu erreichen. Sinnvoller derzeit auf was günstiges zu warten (am besten ein größeres Objekt, das man früher entdecken und genau vermessen kann) - aber das kann ewig dauern.

@failsafe: Die Geschwindigkeit ist relativ zu Jupiter, zumindest verstehe ich es so (velocity relative to body, und "Jupitr" als body angegeben - erscheint mit mouseover).
Der Horizont vieler Menschen ist ein Kreis mit Radius null - und das nennen sie ihren Standpunkt. (David Hilbert, deutscher Mathematiker 1862-1943)

Offline Gecko.

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Re: Interstellare Objekte
« Antwort #304 am: 03. Juli 2025, 13:29:57 »
Aber es scheint ja doch mehr davon zu geben als man anfangs gedacht hat.
Warum sollte es wenige davon geben? Die existieren sicher massenhaft.
Hab ich doch auch geschrieben - ist heute der "Tag des Missverstehens"?
Es geht um solche Objekte im Sonnensystem, nicht irgendwo im Universum.
Bei Oumuamua hatten alle noch gedacht, das sei das erste Objekt nach Jahrzehnten Beobachtung, das muss selten sein. Entsprechende Schlagzeilen hat es ja auch gemacht. Nun haben wir nach 8 Jahren erst das Dritte, das ist nun auch noch nicht gerade "häufig".
Und mehr wissen wird nicht, alles andere ist Spekulation, auch ob die "sicher existieren".
Es gibt Schätzungen(!), dass es jährlich mehrere innerhalb der Erdbahn schaffen, und viele 1000 innerhalb der Neptunbahn, aber mit irgendwelchen Fakten belegt ist nichts.

Nachtrag:
"Man hat keine Chance mehr" würde ich nicht unterschreiben. Es gibt Proposals, Oumuamua hinterherzufliegen, das ist alles gut berechnet, würde halt 26 Jahre dauern... Geht alles, auch mit heutiger Technik. Wenn man will. Nur, macht es Sinn?
Der Comet Interceptor, der hier ins Spiel gebracht wurde, ist dafür nicht geeignet und auch nicht gedacht, der ist für langperiodische Kometen ausgelegt, nicht für interstellare Objekte.
"Vorsicht mit Sarkasmus" lt. Nettiquette - Diclaimer: Meine Beiträge können Spuren von Ironie und Sarkasmus enthalten und Teile der Bevölkerung verunsichern

Offline thunder5

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Re: Interstellare Objekte
« Antwort #305 am: 03. Juli 2025, 14:28:50 »
Sorry, war jetzt nicht als Angriff gemeint. Massenhaft ist auch übertrieben - ich hatte das aber tatsächlich als interstellar verstanden.
Es war halt früher extrem schwer, da etwas zu finden (ohne Bildstabilisator u.ä., zuwenig Teleskope gab es auch). Und was man nicht sieht, erwartet man auch nicht (und existiert folglich nicht - die menschliche Denke ist halt so). Das sollte jetzt viel besser gehen, da wird noch einiges kommen. Obwohl man natürlich immer noch vom Zufall abhängig ist (wo suchen).
War ja schon bei den Exoplaneten so, da wurde sogar behauptet, die meisten Sternsysteme hätten gar keine Planeten (es scheint eher das Gegenteil der Fall zu sein).
Der Horizont vieler Menschen ist ein Kreis mit Radius null - und das nennen sie ihren Standpunkt. (David Hilbert, deutscher Mathematiker 1862-1943)

Re: Interstellare Objekte
« Antwort #306 am: 03. Juli 2025, 19:34:52 »
Vera Rubin ist grad in Betrieb gegangen. Es könnte sein das sich die Zahl erhöht.

Offline failsafe

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Re: Interstellare Objekte
« Antwort #307 am: 05. Juli 2025, 20:42:41 »
@einsteinturm:
interessante Abschätzung/Rechnung auf NSF:
die erhöhte Empfindlichkeit von VeraRubin (Faktor 30 verglichen mit ATLAS) sollte die Entdeckung von im Schnitt 3 interstellaren Objekten pro Jahr ermöglichen.

https://forum.nasaspaceflight.com/index.php?PHPSESSID=3vim27ef2al0a71c4juif74tqs&topic=63199.0#msg2699263

Offline failsafe

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Re: Interstellare Objekte
« Antwort #308 am: 08. Juli 2025, 20:51:19 »
Die drei bisher identifizierten interstellaren Besucher des Sonnensystems sind offenbar sehr unterschiedlich:
1I 'Oumuamua ist relativ klein (~ 100 m), mit einer vergeichsweise kleinen Bahnexzentrizität (e=1,199), bewegte sich mit 26 km/s, bevor es in den Einflussbereich der Sonne kam, zeigte starke Helligkeitsschwankungen (Faktor 25), ist wohl relativ jung (~100 Mio Jahre)
2I Borisov war schon größer ( ~ 1 km), mit einer Bahnexzentrizität von e = 3,36 und einer Eigengeschwindigkeit von 32 km/s relativ zur Sonne, zeigte kaum Helligkeitsänderungen, aber einen kometaren Schweif und Koma, mit einem ungewöhnlich hohen Anteil von CO; geschätztes Alter etwa 1 Mrd Jahre
3I ATLAS nun ist noch größer (10 bis 30 km), mit einer Bahnexzentrizität von e = 6,2 und einer Eigengeschwindigkeit von 58 km/s relativ zur Sonne, zeigt geringe Helligkeitsschwankungen von etwa 20%, was auf kometare Aktivität hindeutet; geschätztes Alter grösser als  5 Mrd Jahre - und damit älter als das Sonnensystem.

Quelle: https://bigthink.com/starts-with-a-bang/third-interstellar-object-3i-atlas/

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Offline Terminus

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Re: Interstellare Objekte
« Antwort #309 am: 09. Juli 2025, 08:55:29 »
1I 'Oumuamua ist relativ klein (~ 100 m), ... ist wohl relativ jung (~100 Mio Jahre)
2I Borisov war schon größer ( ~ 1 km), ... geschätztes Alter etwa 1 Mrd Jahre
3I ATLAS nun ist noch größer (10 bis 30 km), ... geschätztes Alter grösser als  5 Mrd Jahre - und damit älter als das Sonnensystem.

Woran macht man eigentlich die Altersabschätzung fest, wenn man die Objekte kaum detailliert sehen kann? Nur an der Größe?

Offline failsafe

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Re: Interstellare Objekte
« Antwort #310 am: 09. Juli 2025, 09:41:19 »
Auch bei ihrem interstellaren Flug verlieren diese Objekte Masse, zB durch radiolytische Prozesse. Unsicherheiten bestehen (noch) durch fehlende Informationen zu Zusammensetzung und inneren Aufbau, sowie die Auswirkungen von Durchflügen durch Gastsysteme (es gibt Berechnungen, dass zB 'Oumuamua beim Durchflug durchs innere Sonnensystem bis zu 92% seiner Masse beim Anflug verlor; 3I/ATLAS wird seine Oberflächentemperatur bei seiner Annäherung auf Marsbahnabstand um 100 K erhöhen, mit entsprechend vorübergehend steigenden Massenverlusten).
Zusätzlich kann man auch aus der Geschwindigkeit der Objekte über die "age velocity dispersion relation" der Galaxie Rückschlüsse auf das Alter ziehen, siehe zB  https://ui.adsabs.harvard.edu/abs/2018MNRAS.480.4903A/abstract ("A kinematical age for the interstellar object 1I/`Oumuamua ")

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Offline Terminus

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Re: Interstellare Objekte
« Antwort #311 am: 11. Juli 2025, 08:05:48 »
Ich hab den Abstract mal überflogen, richtig schlau bin ich daraus (und weiteren Recherchen) nicht wirklich geworden. Wenn ich es recht verstehe, schätzt man aus der Bahn der Objekte ab, von welchem Stern oder gar von welcher Galaxie sie kommen, und geht davon aus, dass das auch ihr Ursprungssystem war. Und je nachdem wie alt dieser Ursprung ist, so alt sollen auch die Objekte sein? Hm...  ???

Zitat
es gibt Berechnungen, dass zB 'Oumuamua beim Durchflug durchs innere Sonnensystem bis zu 92% seiner Masse beim Anflug verlor

92%? What? :o

Offline failsafe

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Re: Interstellare Objekte
« Antwort #312 am: 11. Juli 2025, 08:59:25 »
@Terminus:
die Zuordnung zu einem Herkunftsort wäre doch sehr zweifelhaft und wird zur Altersabschätzung auch nicht herangezogen: wie im abstract auch steht: ".. and used the distribution of stellar velocities, as a function of age, to obtain a probability density function for the age of `Oumuamua." D.h. 'Oumuamua ist relativ langsam (relativ zu anderen Sternen in diesem Bereich der Galaxie), was bedeutet, dass es noch nicht zu vielen Sternbegegnungen gekommen ist, die die Geschwindigkeit hätten erhöhen können - 'Oumuamua ist also relativ jung. 3I ATLAS ist deutlich schneller, und damit älter.
https://arxiv.org/pdf/2103.08788
"The velocity of ‘Oumuamua with respect to the local standard of rest (LSR), the average
velocity of stars in the neighbourhood of the Sun, was only 9 km s−1 (Meech et al., 2017),
far less than the tens of km s−1 average dispersion of stars with respect to the LSR, and
unexpected if ‘Oumuamua were ejected from an average stellar system. While such a low
velocity with respect to the LSR is not common among all stars, it is common among
relatively young (<2 Gyr-old) stellar systems. Stars are born from molecular clouds, which
have a typical velocity dispersion of ∼6 km s−1 with respect to the local standard of rest,
and acquire greater velocity dispersions over time through stellar encounters."

Der Massenverlust von 'Oumuamua beim Durcflug des Sonnensystems steht so in der englischen Wikipedia: "The authors calculated that in this scenario, a month after perihelion, that ʻOumuamua had lost 92% of the mass it had upon entering the Solar System.[30]"
https://en.wikipedia.org/wiki/1I/%CA%BBOumuamua

Re: Interstellare Objekte
« Antwort #313 am: 11. Juli 2025, 12:25:01 »


Zitat
es gibt Berechnungen, dass zB 'Oumuamua beim Durchflug durchs innere Sonnensystem bis zu 92% seiner Masse beim Anflug verlor

92%? What? :o

Das Objekt kam bis ~ 0,25 AU / 37 Millionen km an die Sonne heran, mit einer Perihel-Geschwindigkeit von rund 87 km/s.
Da werden nur wenige feste Materialien übrig geblieben sein.
Seit Apollo und Star Trek Classic Astronomie, Raumfahrt und SciFi-Fan.

TWR genügt als Anrede

Re: Interstellare Objekte
« Antwort #314 am: 11. Juli 2025, 12:41:28 »
schätzt man aus der Bahn der Objekte ab, von welchem Stern oder gar von welcher Galaxie sie kommen
Es ist quasi unmöglich, daß etwas aus einer anderen Galaxie kommt, abgesehen von solchen, die von der Milchstrasse verspeist wurden, jetzt also eh ihr Bestandteil sind. Die Fluchtgeschwindigkeit aus der Milchstrasse beträgt 530km/s, und nimmt man den Schwung eines umlaufenden Sterns wie der Sonne mit, muß man immer noch über 300km/s aufbringen. Das ist so oder so eine ganze Größenordnung mehr als die Durchschnittgeschwindigkeit, mit der hier alles so hin und herfliegt. Da müßte man schon Glück haben und sowas von einem schwarzen Loch aus einer anderen Galaxie zugeworfen bekommen.

Re: Interstellare Objekte
« Antwort #315 am: 11. Juli 2025, 16:52:23 »
Gibt es zwar:
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Hyperschnelll%C3%A4ufer
Aber der würde wohl kaum wieder eingefangen werden, selbst wenn er mit 1000 km/s durch die Milchstrasse rast.😲

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Offline Terminus

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Re: Interstellare Objekte
« Antwort #316 am: Gestern um 10:50:19 »
Danke fürdie Er klärung.

Der Massenverlust von 'Oumuamua beim Durcflug des Sonnensystems steht so in der englischen Wikipedia: "The authors calculated that in this scenario, a month after perihelion, that ʻOumuamua had lost 92% of the mass it had upon entering the Solar System.[30]"
https://en.wikipedia.org/wiki/1I/%CA%BBOumuamua

Das spricht dann wohl dafür, dass "wir" das erste Sosy waren, das Oumuamua durchquert hat.

Offline failsafe

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Re: Interstellare Objekte
« Antwort #317 am: Gestern um 11:32:09 »
.. Das spricht dann wohl dafür, dass "wir" das erste Sosy waren, das Oumuamua durchquert hat.

Nicht unbedingt - es kommt darauf an, in welchem minimalen Abstand zum Zentralstern so ein Durchflug stattfindet (der "Stoßparameter"); das bestimmt die Temperatur, die dabei erreicht wird (und damit den Massenverlust). Wenn 'Oumuamua weit draussen etwa im Bereich der Neptunbahn durchgeflogen wäre, wäre der Massenverlust/die Veränderung sehr gering gewesen.