Folgen der Beschleunigung der Expansion

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Offline BadCop

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Folgen der Beschleunigung der Expansion
« am: 25. April 2015, 14:29:56 »
Hallo Ihr,

kurze knackige Frage: Wenn die Expansion des Weltalls sich beschleunigt, müsste nahe an der Lichtgeschwindigkeit unsere normale sichtbare Materie unendlich schwer werden. Die Folge davon ist dann wohl unendlich hohe Gravitation. Ist diese Gravitation dann irgendwann höher als die Kraft der Dunklen Materie was zu einer Umkehrung der Expansion führt?

Re: Folgen der Beschleunigung der Expansion
« Antwort #1 am: 25. April 2015, 15:41:06 »
Hallo,

knackige Antwort: Nein. Es expandiert ja der Raum selbst, was meines Wissens nach keinen Einfluss auf die Masse der Materie in ihm hat. Der Raum ist nach den gängigen Urknallmodellen ja sogar schon einmal kurz nach dem Urknall mit wesentlich mehr als Lichtgeschwindigkeit expandiert.

Die Vergrößerung der Masse von Materie bis hin zu unendlicher Masse bei Lichtgeschwindigkeit gilt nur, wenn die Materie selbst auf diese Geschwindigkeit beschleunigt wird (und eben nicht - wonach Du ja fragst - der Raum)

Gruß
Excalibur
Wenn Du mit dem Finger auf jemand anderen zeigst, schaue Dir Deine Hand an. Du wirst feststellen, dass drei Finger auf Dich selbst gerichtet sind.

Jura

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Re: Folgen der Beschleunigung der Expansion
« Antwort #2 am: 25. April 2015, 16:08:55 »
Das ist nicht ganz richtig, hier handelt sich um die Expansion des Weltraums, die Gravitation der Objekte ist von der Masse abhängig.
 
Am Rande des Universum bewegen sich die Galaxien und der Raum schon mit dreifacher Lichtgeschwindigkeit (Folge der dunklen Energie). Auch nach dem Urknall gab es eine kurze Periode mit einer rasanten Expansion die schneller als das Licht war, Fachleute sprechen von einer Inflation.

Es sieht so aus, das die dunkle Energie die Oberhand gewinnen könnte mit katastrophalen Folgen, oder die gängige Theorie wird eines Tages mit neuartigen Teleskopen (darunter Spiegelteleskope bis 100 Meter im Durchmesser) und Instrumenten ( Interferometrie mit kosmischen Satelliten) durch andere ersetzt.

neuland06

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Re: Folgen der Beschleunigung der Expansion
« Antwort #3 am: 25. April 2015, 19:08:05 »
Was mich im Zusammenhang mit der Expansion des Universums wundert, ist die Frage, ob sich bei ausdehnendem Raum auch der Raum zwischen den kleinsten Teilchen (Elektronen - Atomkerne, Up- und Downquarks im Atomkern...) ausdehnt? Oder wirken hier die quantenmechnischen Kräfte dem Ausdehnen entgegen. Beispiel --> Wird nur der Raum zwischen Venus und Erde größer oder auch Venus und Erde selbst? :o

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Offline James

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Re: Folgen der Beschleunigung der Expansion
« Antwort #4 am: 25. April 2015, 22:52:35 »
Guten Abend

Nein, der Raum zwischen den Kernbausteinen dehnt sich durch die Expansion des Universums nicht aus. Auch der Abstand zwischen Erde und Mars wird nicht größer. Die Expansion gilt überhaupt nicht für gravitativ gebundene Systeme. Das gilt noch unvorstellbar lange.

Gruß, James

Offline 973

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Re: Folgen der Beschleunigung der Expansion
« Antwort #5 am: 07. Mai 2015, 21:27:17 »
Die Masse bleibt gleich, egal wie die Geschwindigkeit ist. Ausserdem ist zumindest klassisch die Gravitation innerhalb einer  sphärischen Dichteverteilung Null.  Die Gravitation des Weltalls im Gesamten, die im Standard-Modell die Expansion abbremsen würde, ist nicht anschaulich verständlich

Offline sophismos

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Re: Folgen der Beschleunigung der Expansion
« Antwort #6 am: 30. Dezember 2020, 15:00:16 »
Das Thema ist wieder aktuell geworden. Mit immer neueren und exakteren Messungen (zuletzt durch das Weltraumteleskop Planck) wird die Rotverschiebung z und dadurch die Hubble-Konstante immer kleiner. Dadurch ist mittlerweile Omega-total ~1 - also ein flacher Raum r(t) ~ t. In fast allen Lehrbüchern zur Friedmann-Gleichung steht, daß dies extrem unwahrscheinlich/unmöglich sei  ;)

Zur Frage: Bei einer beschleunigten Expansion wäre der Raum positiv gekrümmt r(t) ~ sinh(t). Da aber gemäß der ART die Gravitation sich nur mit c ausbreitet, gäbe es einen Ereignishorizont. Außerhab dieses Ereignishorizontes - wenn ich es richtig verstanden habe - "sieht" man weder die Photonen noch die Gravitonen der außenliegenden Welt. In wenigen Milliarden Jahren würde dann nur noch "unser" Galaxiencluster optisch und gravitativ "sichtbar" sein. Unsere "Ereignisblase" würde also immer Galaxieärmer und "leichter". Ob es dann zum Big Rip kommt oder ob die wenigen Galaxien sich dann kompaktieren, könnte nur in der Theorie der schwarzen Löcher geklärt werden. Sollte sich die Hawking-Strahlung auch nur mit c ausbreiten, wird es interessant...

Aber alle neuesten Messungen lassen eine beschleunigte Expansion als zunehmend unwahrscheinlich erscheinen.

Umgekehrt: Bei einer verzögerten Expansion wäre der Raum invers gekrümmt: r(t)=R sin(kt). Dann würde der Weltraum wie eine Zieharmonika r0 ---> R ---> r0 gehen. In wenigen Milliarden Jahren würde sich also der Raum wieder zusammenziehen ---> Kataklysmus.
EDIT: Die Rotverschiebung der Hintergrundstrahlung in 12.x Gly Entfernung ist extremst schwer zu messen (in weniger als 50 Jahren ist die Hubble-Konstante - bedingt durch bessere Meßmethoden - um den Faktor 20 (!) geschrumpft - mit Luft nach unten). Die Blauverschiebung "unserer" Nachbargalaxien ist hingegen nicht sehr schwer zu messen. Diese kann sehr gut und exakt gemessen werden. Innerhalb unseres Galaxienclusters bewegen sich die Galaxien aufeinander zu. In diesem Bereich schrumpft der Raum. (In wenigen Milliarden Jahren kommt es zur Kollision von Milchstraße und Andromeda-Galaxie). Damit schrumpft in diesem Bereich das Vakuum. Die Schrumpfung beschleunigt sich hier.

EDIT2: FAKT ist: Die fast hundert Jahre alte Friedmann-Gleichung beschreibt alle möglichen Szenarii - einzig durch Variation eines einzigen bis heute extremst schwierig (und damals unmöglich) zu messenden Parameters. Sie stimmt immer, sie ist analytisch lösbar, es existiert eine Lösung - sie ist nicht falsifizierbar (ähnlich der Drake-Gleichung).
« Letzte Änderung: 31. Dezember 2020, 08:28:20 von sophismos »

Re: Folgen der Beschleunigung der Expansion
« Antwort #7 am: 09. September 2021, 20:27:06 »
Was sind diese neuesten Messungen? Gibt es dazu Quellen?
Danke.

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Offline Volker

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Re: Folgen der Beschleunigung der Expansion
« Antwort #8 am: 09. November 2021, 11:18:58 »
Hallo,

hier ist vielleicht doch einiges durcheinander geraten.

Das Thema ist wieder aktuell geworden. Mit immer neueren und exakteren Messungen (zuletzt durch das Weltraumteleskop Planck) wird die Rotverschiebung z und dadurch die Hubble-Konstante immer kleiner.
Die Rotverschiebung z.B. einer Galaxie hängt von der Entfernung ab. Vielleicht meinst Du hier, dass die Fehler in der Messung der Rotverschiebung kleiner werden, also die Messungen genauer sind. Die Hubble Konstante (die auch keine Konstante ist, sondern besser "Hubble Parameter" genannt wird, denn dieser Parameter verändert sich mit der Entwicklung des Universums) wird dadurch nicht kleiner. Richtig ist, dass Messungen des Planck Satelliten einen Wert von H0= 67+-1 km/s/Mpc ergeben, während andere Messungen auf 73 +-3 km/s/Mpc hindeuten.

Zitat
Dadurch ist mittlerweile Omega-total ~1 - also ein flacher Raum r(t) ~ t. In fast allen Lehrbüchern zur Friedmann-Gleichung steht, daß dies extrem unwahrscheinlich/unmöglich sei  ;)
Also, dass das Universum flach ist, das wird auf Grund von Messungen ja schon seit den 90er Jahren vermutet. "r(t) ~ t", da stimmt was nicht, denn r ist ein Radius und t eine Zeit. Meinst Du vielleicht H0-1 = t0 ~ 13 Gyr ?
Und zu den Friedmann Gleichungen: Diese sind eine spezielle Lösung der Einsteinschen Feldgleichungen für den Fall eines homogenen und isotropen Universums. Die am meisten verbreitete Erklärung, warum unser Universum ein flaches Universum ist, liegt in der sogenannten Inflationsphase sehr kurz nach dem Urknall (Inflation ergibt auch die gleiche Temperatur der Hintergrundstrahlung über den ganzen Himmel und erklärt auch, warum es keine magnetischen Monopole gibt). 
 
Zitat
Aber alle neuesten Messungen lassen eine beschleunigte Expansion als zunehmend unwahrscheinlich erscheinen.

Zur Zeit ergeben die meisten Messungen (von SuperNovae, Galaxienhaufen, baryonische akustische Oszillation, ...) eine beschleunigte Expansion.

Zitat
Die Rotverschiebung der Hintergrundstrahlung in 12.x Gly Entfernung ist extremst schwer zu messen (in weniger als 50 Jahren ist die Hubble-Konstante - bedingt durch bessere Meßmethoden - um den Faktor 20 (!) geschrumpft - mit Luft nach unten).
Schon in den 80er Jahren ergaben Messungen entweder H0= 100 km/s/Mpc oder H0= 50 km/s/Mpc, und seit den 90ern hat sich das im Bereich H0 ~ 70 km/s/Mpc eingependelt (siehe oben).

Zitat
Die Blauverschiebung "unserer" Nachbargalaxien ist hingegen nicht sehr schwer zu messen. Diese kann sehr gut und exakt gemessen werden. Innerhalb unseres Galaxienclusters bewegen sich die Galaxien aufeinander zu. In diesem Bereich schrumpft der Raum
Nein, der Raum schrumpft hier nicht. In der näheren Umgebung überwiegt die Anziehungskraft zwischen den Galaxien den "Hubble Flow", das heißt, hier kann man die generelle Entwicklung des Universums auf großen Skalen nicht beobachten.

Zitat
Die fast hundert Jahre alte Friedmann-Gleichung beschreibt alle möglichen Szenarii - einzig durch Variation eines einzigen bis heute extremst schwierig (und damals unmöglich) zu messenden Parameters. Sie stimmt immer, sie ist analytisch lösbar, es existiert eine Lösung - sie ist nicht falsifizierbar (ähnlich der Drake-Gleichung).

Nein, die Friedmann Gleichungen sind falsifizierbar. Wir können die einzelnen Parameter messen und so das Modell mit der beobachteten Wirklichkeit vergleichen. Sollte das Universum auf großen Skalen nicht homogen und isotrop sein (was die Vorraussetzung für die Anwendung der Friedemann Gleichungen ist), so können diese Gleichungen das Universum nicht beschreiben.

Am besten noch mal ein bisschen in einem Standard-Kosmologie Buch lesen (z.B. Kapitel 8 in diesem Lehrbuch, gibt's in jeder Unibibliothek ;-)

Gruß
Volker
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Re: Folgen der Beschleunigung der Expansion
« Antwort #9 am: 17. Juni 2022, 19:18:11 »
Ich verstehe auch nicht, weshalb sich die Galaxien bei dieser Expansion als kompakte  Einheiten verhalten. Müsste sich nicht auch der Abstand aller Sterne in einer Galaxie vergrößern? Das beliebte Ballonbeispiel würde ja auch die aufgemalten Galaxien ausdehnen.
Gruß Badabumm

Re: Folgen der Beschleunigung der Expansion
« Antwort #10 am: 18. Juni 2022, 13:23:48 »
Ich verstehe auch nicht, weshalb sich die Galaxien bei dieser Expansion als kompakte  Einheiten verhalten. Müsste sich nicht auch der Abstand aller Sterne in einer Galaxie vergrößern? Das beliebte Ballonbeispiel würde ja auch die aufgemalten Galaxien ausdehnen.

Das hatte Volker hier ja beschrieben:

In der näheren Umgebung überwiegt die Anziehungskraft zwischen den Galaxien den "Hubble Flow", das heißt, hier kann man die generelle Entwicklung des Universums auf großen Skalen nicht beobachten.

Bei "kleinen" Distanzen und entsprechenden Massekonzentrationen überwiegt die Schwerkraft, die Wirkung der dunklen Energie ist hier (aktuell noch) vernachlässigbar.

Wenn ich das richtig im Kopf habe, wird die dunkle Energie alles außerhalb unserer lokalen Gruppe durch die Raumexpansion von uns wegtreiben, die lokale Gruppe selbst verschmilz aber in den nächsten dutzenden Jahrmilliarden zu einer einzigen Metagalaxie, deren Anfang Milkomeda macht.

Re: Folgen der Beschleunigung der Expansion
« Antwort #11 am: 18. Juni 2022, 22:24:07 »
OK. Dann steht also „Gravitation gegen Raumexpansion“. Ich verstehe es zwar nicht, da ich die Raumexpansion als einflussreicher verstehe (Stein, Schere, Papier: Expansion besiegt Schwerkraft...), aber gut. Übrigens steht in meinem Astronomiebuch, dass sich die Andromeda-Galaxie von uns entfernt. Dass sich eine Metagalaxie bildet, kann ich daraus nicht folgern.
Gruß Badabumm

Re: Folgen der Beschleunigung der Expansion
« Antwort #12 am: 19. Juni 2022, 12:46:11 »
Übrigens steht in meinem Astronomiebuch, dass sich die Andromeda-Galaxie von uns entfernt.
Von wann ist das?
Andromeda und Milchstrasse nähern sich aktuell mit etwa 110km/s, die Kollision steht in einigen Milliarden Jahren bevor:
https://de.wikipedia.org/wiki/Andromedagalaxie#Eigenbewegung

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Offline James

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Re: Folgen der Beschleunigung der Expansion
« Antwort #13 am: 19. Juni 2022, 12:50:00 »
Ist das wirklich so mit deinem Astronomiebuch? Die Andromeda Galaxie hat eine Rotverschiebung von −0,001001 ± 0,000013. Ich nehme an daß man die Blauverschiebung der Andromedagalaxie als Blauverschiebung gemessen hat, seit man weiß was es damit auf sich hat. Ein Astronomiebuch in dem etwas von einem entfernendem Verhalten der Andromedagalaxie steht kommt mir schon fast unglaubwürdig vor.

Re: Folgen der Beschleunigung der Expansion
« Antwort #14 am: 19. Juni 2022, 18:28:43 »
Es müsste vielleicht im „DTV-Atlas zur Astronomie“ oder in „Knaurs Buch der modernen Astronomie“ gewesen sein. Beide Bücher habe ich aber nicht zur Hand. Die stammen noch aus den 1970 / 1980ern. In der (westdeutschen) Neuauflage des „ABC Astronomie“ steht jedenfalls eine Annäherung von ca. 75 km/s.
Gruß Badabumm

Re: Folgen der Beschleunigung der Expansion
« Antwort #15 am: 09. Oktober 2022, 21:23:49 »
Hallo,

meine Frage ist seit einiger Zeit, ob sich durch die Expansion nicht auch die Hubble-Konstante (die dann keine Konstante mehr wäre) bei zunehmenden Entfernungen ändert, also erhöht? Habe dazu bisher keine klaren bzw. verständlichen Aussagen gefunden.

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Online Schillrich

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Re: Folgen der Beschleunigung der Expansion
« Antwort #16 am: 10. Oktober 2022, 20:51:49 »
Man nennt das heute auch eigentlich Hubble-Parameter … weil der Wert nicht konstant ist.
\\   //    Grüße
 \\ ///    Daniel

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Offline Volker

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Re: Folgen der Beschleunigung der Expansion
« Antwort #17 am: 19. Oktober 2022, 12:03:51 »
Hallo,

meine Frage ist seit einiger Zeit, ob sich durch die Expansion nicht auch die Hubble-Konstante (die dann keine Konstante mehr wäre) bei zunehmenden Entfernungen ändert, also erhöht? Habe dazu bisher keine klaren bzw. verständlichen Aussagen gefunden.

Der Hubble Parameter H(t) nimmt mit der Zeit t ab (jedenfalls in unserem Lambda-CDM Universum, so wie es im Allgemeinen angenommen wird). Siehe zum Beispiel Abbildung 1 in Pacif et al. (1999) : https://arxiv.org/pdf/1911.09102.pdf

Gruss
Volker
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Re: Folgen der Beschleunigung der Expansion
« Antwort #18 am: 20. Oktober 2022, 19:19:31 »
Danke und ups..., ich verstehe nach wie vor nicht - wenn der Hubble-Parameter sogar sinken soll - wie sich dann das Universum in großen Entfernungen (ab ca. 1500 Mpc) schneller ausdehnen soll als in geringeren Entfernungen. Schneller ausdehnen bedeutet aus meiner Sicht doch zwangsläufig "mehr" km/s pro Mpc des Hubble-Parameters... ?

Re: Folgen der Beschleunigung der Expansion
« Antwort #19 am: 20. Oktober 2022, 21:03:41 »
ich verstehe nach wie vor nicht - wenn der Hubble-Parameter sogar sinken soll - wie sich dann das Universum in großen Entfernungen (ab ca. 1500 Mpc) schneller ausdehnen soll als in geringeren Entfernungen. Schneller ausdehnen bedeutet aus meiner Sicht doch zwangsläufig "mehr" km/s pro Mpc des Hubble-Parameters... ?
Wenn sich das Universum in großer Entfernung (=ferne Vergangenheit) schneller ausdehnt, als in naher Entfernung (=jüngere Vergangenheit), dann würde ich daraus schließen, daß die Expansionsgeschwindigkeit abnimmt.
Also früher war sie größer als heute, weshalb es weiter weg (damals) schneller expandiert.
Aber es soll ja genau andersrum sein. Da blick ich auch noch nicht ganz durch und habe damit wohl ein ähnliches Verständnisproblem wie Du.

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Offline Volker

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Re: Folgen der Beschleunigung der Expansion
« Antwort #20 am: 21. Oktober 2022, 17:28:29 »
Hallo,

im lokalen Universum (also zum Beispiel in der lokalen Gruppe in der sich unsere Galaxie befindet) kann man den Hubble-flow nicht messen, denn da überwiegt die Gravitation zwischen den Galaxien. Auf grösseren Entfernungen kann man dann den Hubble-flow messen, also H = (Änderung des Skalenfaktors des Universum) / (Skalenfaktor des Universum). Der Skalenfaktor ist ein Maß für die Größe des Universums (und ist skaliert, also a(t0 = heute) =1 ). H ist also eine Funktion der Zeit: H(t). H(t) nimmt mit der Zeit ab, da der Skalenfaktor stärker ansteigt als die Expansionsgeschwindigkeit -- und seit etwa 4 Milliarden Jahren steigt der Skalenfaktor exponentiell mit der Zeit, denn seit z~= 0.33 ist die Entwicklung der Ausdehnung des Universums durch die kosmologische Konstante (Lambda) dominiert, und nicht mehr durch die Materie.
Soweit ich das sehe, hat H(t) seit der Planck-Zeit (also kurz nach dem sogenannten Urknall) abgenommen, auch während der Inflation.
Erstaunlicher Weise finde ich so auf die Schnelle im Internet keine Grafik, die H(t) für Vergangenheit und Zukunft zeigt. Hier ist zumindest eine Grafik zur Entwicklung des Skalenfaktors: https://de.m.wikibooks.org/wiki/Datei:Universum_flach_Skalenfaktor.png (unser Universum ist flach, also k=0, und Lambda = 0.7). In dieser Grafik sieht man sehr schön, dass seit z=0.33 (also bei t= 1010 Jahren = 10 Milliarden Jahre) die Ausdehnung des Universums exponentiell geschieht (siehe oben).

Gruß
Volker
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Offline fionn

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Re: Folgen der Beschleunigung der Expansion
« Antwort #21 am: 28. Oktober 2022, 11:42:06 »
Hallo Badabumm,

Es müsste vielleicht im „DTV-Atlas zur Astronomie“ oder in „Knaurs Buch der modernen Astronomie“ gewesen sein. Beide Bücher habe ich aber nicht zur Hand. Die stammen noch aus den 1970 / 1980ern. In der (westdeutschen) Neuauflage des „ABC Astronomie“ steht jedenfalls eine Annäherung von ca. 75 km/s.
Ich habe beide Bücher noch im Bestand - das "Knaurs Buch der modernen Astronomie" (Erstausgabe 1972) schweigt sich über die Relativgeschwindigkeit der Andromeda-Galaxie aus, im "DTV-Atlas zur Astronomie" (Originalausgabe März 1973) steht auf Seite 227 "Die Radialgeschwindigkeit beträgt -297 km/s." Der negative Wert bedeutet: Andromeda und Milchstraße nähern sich.

Übrigens geben beide Werke den wahrscheinlichsten Wert der Hubble-Konstante mit "75 km/s pro Mpc" an.

Viele Grüße,

Fionn

Re: Folgen der Beschleunigung der Expansion
« Antwort #22 am: 28. Oktober 2022, 20:06:51 »
Vielen Dank an euch,

leider klären die Antworten meine ursprüngliche Frage nicht. Aber ich bin auch kein Fachmann auf dem Gebiet. 

Meines Wissens gibt es aktuell Diskussionen zum Hubble-Parameter, der lt. Planck-Satellit (Messung der Hintergrundstrahlung) um 67 km/s pro Mpc liegt
, aber per Hubble-Teleskop um 74 km/s pro Mpc beträgt. Beide Werte sind per Fehlertoleranzen unvereinbar. Fehler der unterschiedlichen Messprinzipien wurden bisher nicht erkannt.

Der Bezug zur Hubble-Konstante oder des Hubble-Parameters bei der beschleunigten Expansion (meine ursprüngliche Frage) erschließt sich für mich nach wie vor nicht. Auch Recherchen im Internet ergaben, dass Fachbegriffe oft mit weiteren Fachbegriffen "erklärt" werden, also für einen interessierten Laien schwer nachvollziehbar sind (L-CDM-Modell, Raumkrümmung, Vakuumenergie, Skalenfaktor, Friedmann-Gleichung usw.) 

Trotzdem vielen Dank für eure Antworten.
Joachim